Von Ernö Szep
Zerbrochene Welt. Drei Wochen 1944
Der ungarische Dichter Ernö Szep zählt heute mit Sandor Marai und Antal Szerb zu den Begründern der literarischen Moderne in Ungarn zwischen den Weltkriegen. Sein letztes Buch war der Bericht "Zerbrochene Welt. Drei Wochen 1944", der nun in deutscher Übersetzung vorliegt.
8. April 2017, 21:58
Ernö Szeps Aufzeichnung zeigt, dass der Holocaust aus unendlich vielen Schicksalen und Geschichten besteht und nie zu Ende erzählt werden kann - und dass es unendlich viele Möglichkeiten gibt, ihn literarisch darzustellen.
"Eine vorbildliche Edition."
Zu seinen Lebzeiten war Ernö Szep als bürgerlich-liberaler Jude gleich nach 1918 starken Anfeindungen ausgesetzt. Nachdem in Ungarn 1944 die faschistischen Pfeilkreuzler die Macht übernahmen, lebte Szep im Budapester Ghetto, verrichtete Zwangsarbeit und überlebte den Holocaust durch die Initiative des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg. Verarmt und vergessen starb Ernö Szep 1953 in Budapest. In den zwanziger und dreißiger Jahren hatte er mehrere Romane und Theaterstücke geschrieben.
Was die Aufzeichnungen von Ernö Szep auszeichnet, ist vor allem die Ironie und Selbstdistanz. Manchmal genügt dafür ein einziger Satz wie dieser: "Ich hörte in meiner Nähe einige seufzen, darunter auch mich." Aus dieser Selbstdistanz schreibt er seine Chronik, und gleichzeitig ist ihm als prononciertem Vertreter der literarischen Moderne das lineare Erzählen suspekt. So greift er zum alten Mittel der Leseranrede, um auch das Erzählmuster zu ironisieren.
Mit dieser Ironisierung spricht der Autor unfreiwillig auch die problematische Seite seines Berichtes an. Man weiß ja tatsächlich, dass die Geschichte für ihn gut ausgeht. Beim Schreiben musste sich also gerade die Frage stellen, die Ruth Klüger in ihrer Autobiographie "weiter leben. Eine Jugend" so präzise formuliert hat: "Wie kann ich euch vom Aufatmen abhalten?"
Für Ernö Szep war die Zwangsarbeit zu Ende, weil sein schwedischer Schutzpass durch internationalen Druck anerkannt wurde - für seine Leidensgenossen ging sie jedoch weiter. Das macht die Stärke dieses Buches, die Beschränkung auf die drei Wochen, die Authentizität des selbst Erlebten, auch problematisch. Ansonsten kann man das Buch, das jetzt in einer vorbildlichen Edition endlich das deutsche Publikum erreicht, nur in höchsten Tönen loben.
Service
Ernö Szep, "Zerbrochene Welt - Drei Wochen 1944", aus dem Ungarischen von Ernö Zeltner, dtv
