"Dances for the Electric Piano" im mumok
Der US-Amerikaner Cory Arcangel gilt als Vertreter der Post-Internet-Art. Heute Abend gibt er im mumok in Wien ein Konzert.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 22.01.2015
Sie betrachten das Internet als ihre Leinwand und YouTube-Videos als ästhetische Fundgrube, sie arbeiten mit Bildschirmschonergrafiken oder handelsüblichen Webcams. Die Digitalisierung aller Lebensbereiche hat längst stattgefunden und die Kunst antwortet darauf. Post-Internet-Art, so lautet das Schlagwort, das die Kunstwelt aktuell umtreibt.
Ein Tierasyl affichierte vor einigen Jahren in New York ein Plakat, das möglichst viele Menschen dazu anregen sollte, ein ausgesetztes Tier bei sich aufzunehmen. Darauf war eine putzig dreinschauende Katze zu sehen und darunter zu lesen: "Denk doch daran, was für tolle Videos wir gemeinsam machen könnten!" Katzen sind die heimlichen Stars des Internets: Sie fauchen, sie spielen ein Instrument oder sie schauen einfach nur treuherzig in die Kamera. Katzenvideos im Internet stellen Popsternchen wie Miley Cyrus oder Rihanna in den Schatten. Sie werden millionenfach angeschaut. Das hat den US-amerikanischen Künstler Cory Arcangel dazu inspiriert, ein Katzenvideo der besonderen Art zu machen.

Cory Arcangel
ORF
Die heimlichen Stars des Internets
Was Sie jetzt hören, sind nicht etwa die verrutschten Töne, die eine Katze hervorbringt, die über eine Klaviertastatur tappt. Sie hören Arnold Schönbergs "Drei Klavierstücke op 11" Cory Arcangel hat aus hunderten Videoschnipseln, die eine Katze auf dem Klavier zeigen, ein einziges Video zusammengeschnitten. Und dieses Video gibt tatsächlich die Töne von Schönbergs "Drei Klavierstücken" wieder. Eine Sisyphusarbeit, die Cory Arcangel als künstlerische Intervention im Internet bezeichnet. "Ich habe YouTube-Videos verwendet und zwar jedes einzelne Video, das damals verfügbar war. Damals gab es circa 200 Videos auf YouTube, die eine Katze zeigten, die Klavier spielt. Diese Suche nach Material, das man im Internet kostenlos findet, war wie eine Performance", sagt Cory Arcangel.
Eigentlich ist Cory Arcangel mit seinen 36 Jahren zu alt, um als Post-Internet-Artist zu gelten. Doch der Künstler, der zwischen Brooklyn und Norwegen pendelt, wurde längst in die zeitgeistige Kritikerschublade gesteckt. Vermutlich nicht zu seinem Nachteil. Einzelausstellungen des Amerikaners im Whitney Museum in New York, im Migros Museum in Zürich und im Hamburger Bahnhof in Berlin zeigen das Arcangel längst im etablierten Kunstbetrieb angekommen ist.
"Vor einigen Jahren kamen viele Kuratoren und Kunstkritiker in mein Studio. Einer dieser Besucher fragte mich, ob ich mich als Teil der Post-Internet-Art verstehe. Ich hatte diesen Begriff damals noch nie gehört. Ich verwende das Internet als Material, als Leinwand und als Distributionskanal meiner Kunst, aber ich verfolge Debatten über künstlerische Bewegungen und Labels nicht wirklich", sagt Cory Arcangel. In den 1990er Jahren als die Netzkunst noch in ihren Kinderschuhen steckte, vertieften sich Künstler in Source-Codes und Programmiersprachen. Sie produzierten eine hermetische Kunst, die nur für Eingeweihte verständlich war.
Die neue Netzkunst der Post-Internet-Artists beschreitet zugänglichere Pfade. Die Post-Internet-Art interessiert sich weniger für die unverständlichen Codes, die unsichtbar hinter den Benutzeroberflächen ablaufen, sondern nimmt, fast unbedarft, man möchte sagen naiv, die Oberflächen des Computers in den Blick. You-Tube-Videos und Bildschirmschoner, Computergrafiken und Webanimationen.
Künstlerisches Recycling
In seinen Arbeiten reflektiert Cory Arcangel Praktiken der Internetkultur und Unterhaltungsindustrie. Er setzt sich mit Technologien auseinander und damit, wie schnell Technologien veralten. Die Künstler des Nouveau Realism führen in den 1960er Jahren auf die Schrottplätze von Paris und machten aus ihren Fundstücken, diesem Auswurf der anbrechenden Wegwerfgesellschaft, Kunst. Cory Arcangels künstlerischer Spielplatz sind die digitalen Schrottplätze. Der Künstler hat eine gewisse Affinität zu Technikschrott. Veraltete Spiele der Firma Nintento zum Beispiel, in die er neue Chips einbaut. Auf dem Bildschirm von Computerspiel-Klassikern erscheinen dann eigentümlich, um nicht zu sagen irritierende Graphiken. Auch im Bereich der Musik setzt Cory Arcangel auf künstlerisches Recycling.
Für seine Komposition "Dances for the Electric Piano" verwendet Cory Arcangel einen Synthesizer, der unter dem Namen Korg M1 Musikgeschichte geschrieben hat. In den 1980er Jahren untermalten die Sounds dieses Synthesizers viele Hits - von Madonna zum Beispiel. Cory Arcangel hat zwar im Feld der Bildenden Kunst Karriere gemacht, eigentlich kommt er aber aus der Musik.
Der Künstler hat in Ohio Musiktechnologie studiert. Bis heute spielen musikalische Elemente in seinen Arbeiten eine große Rolle. Heute Abend ist Cory Arcangel in Wien zu hören. Gemeinsam mit dem schwedischen Organisten Hampus Lindwall gibt er ein Konzert im Museum Moderner Kunst in Wien. Nach Aufführungen am ICA in London und in der Philharmonie in Berlin tritt Cory Arcangel damit erstmals gemeinsam mit dem Organisten Hampus Lindwall in Österreich auf.
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mumok - Cory Arcangel