Assmann: Religion und Krieg

Sind Religionen per se gewalttätig? Stiften sie zu Mord, Krieg und Terrorismus an? Nach dem Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" und aktuellen Gewaltexzessen von IS und Boko Haram ist die Frage wieder allgegenwärtig. Seit Jahrzehnten beschäftigt sie den emeritierten Heidelberger Ägyptologen und Kulturwissenschaftler Jan Assmann.

Morgenjournal, 28.1.2015

International bekannt wurde Jan Assmann mit dem Begriff des Kulturellen Gedächtnisses, den er zusammen mit seiner Frau, der Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann, geprägt hatte und mit seiner viel diskutierten Monotheismus-These, nach der der Ein-Gott-Glaube Konflikte und Gewalt produziere. Neue Überlegungen zu diesem Thema hat Jan Assmann jetzt unter dem Titel "Exodus" publiziert, gestern Abend hat er das Buch im Wiener Kreisky-Forum präsentiert.

"Terrororganisationen missbrauchen Islam"

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Religion und Gewalt? Diese Frage beschäftigt Jan Assmann seit Jahrzehnten, nicht erst seit 09/11. Mit einem Religionskrieg, meint er, haben aber weder die aktuellen Gewaltexzesse von IS und Boko Haram etwas zu tun, noch der Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo". Es seien Terrororganisationen, die den Islam missbrauchen, um den Westen zu destabilisieren, sagt Jan Assmann. Und er warnt vor einer Aufrüstung gegen den Terror.

Solidarisierung mit den Aufklärern

Wie soll der Westen mit dem Phänomen es islamistischen Terrors umgehen? Jan Assmann spricht von zwei Wegen: Zum einen die eigenen Rechtsvorstellungen und die Menschenrechte mit allen Mitteln verteidigen, zum anderen die Verständigung: eine Solidarisierung mit den islamischen Kritikern des eines radikalen Islamismus. Schließlich gebe es genug Aufklärer unter den Muslimen, die den gewalttätigen Fundamentalismus verabscheuen. Auf eine Veröffentlichung von Islam-Satire, sollte man jedenfalls verzichten, sagt Jan Assmann.

"Der offizielle Islam ist fast noch gefährlicher"

Die Kritik solle sich auf den Fundamentalismus konzentrieren, sagt Jan Assmann. Aktuell sei für ihn nicht allein der Terror besorgniserregend und empörend: "Das ist auch der ganz offizielle, legale Islam", so Assmann. "Damit denke ich an Auspeitschung, Todesstrafe, die schreckliche Art mit Dissidenten umzugehen, die Unfähigkeit Selbstkritik zu üben. Diesen ganz offiziellen Islam, der überhaupt keinen Terror ausübt, den finde ich fast noch gefährlicher.

Da gelte es die Menschenrechte zu stärken, sagt Jan Assman fügt hinzu: Es sei nicht zuletzt die Aufgabe des Islam, mit seinen fundamentalistischen Zweigen ins Gespräch zu kommen.

Service

Ein ausführliches Gespräch mit Jan Assmann gibt es heute im Ö1 "Kulturjournal" um 17:09 Uhr.