Autor Martin Pollack: "Kritische Solidarität mit Ukraine"

Der Autor und Journalist Martin Pollack gilt als einer der besten Osteuropa-Kenner Österreichs. Zuletzt hat er sich in seinem Buch "Kontaminierte Landschaften" mit dem Erbe des Nationalsozialismus in Zentral- und Osteuropa auseinandergesetzt.

Wie geht es weiter mit dem Krieg in der Ostukraine? Was kann Europa tun, um zu einer Lösung beizutragen? Und warum führt der Konflikt zwischen Kiew und Moskau zu einer so starken Polarisierung in Europa selbst, zwischen sogenannten Russland-Verstehern und Russland-Hassern?

Martin Pollack

Martin Pollack

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Mittagsjournal, 7.2.2015

Eine Rückkehr zu dem Status vor Beginn des Konflikts zwischen Russland und Ukraine, ist für Martin Pollack schwer vorstellbar. Zu weit fortgeschritten sei die Lage bereits. Nicht zuletzt auch unter Zutun des Westens, der mehr oder weniger nur zugesehen hätte, so Pollack. Auch die Annexion der Krim könnte derzeit nicht rückgängig gemacht werden.

Als wenig überraschend bezeichnet Pollack das Vorgehen Russlands, das sich aus seiner Position als geschwächtes Imperium herausarbeiten möchte. Das hätte man ja bereits bei Georgien oder Moldawien gesehen: „Die Schaffung von eingefrorenen Konflikten kommt Putin einfach zu Gute“, sagt Pollack.

Der Westen müsse den Russen ganz klar entgegen treten. Im Ukraine-Konflikt wurden Völkerrecht verletzt und Grenzen verschoben. Das dürfe der Westen nicht dulden, so Pollack. Allerdings sei der Westen ja nicht geschlossen gegen Russland. Gerade Österreich zähle zu den Ländern, die die Russland-Sanktionen am liebsten aufgeben würden. In diesem Zusammenhang erinnert Pollack an die Solidarność-Zeit in Polen: „Da waren die Österreicher auch die ersten, die gesagt haben, ‚Hörts doch endlich auf zum Streiken. Wo sollen wir denn unsere Kohle herkriegen?‘ Man war nicht für die Solidarność, sondern für das polnische Regime, mit dem man ja wunderbare wirtschaftliche Beziehungen gepflegt hat.“

Die jetzige Regierung unter Poroschenko sei natürlich auch kein Idealbild, sagt Pollack. Andererseits müsse man der Ukraine zugestehen: Sie ist überfallen worden, die Hauptaufgaben – Demokratisierung und Bekämpfung der Korruption – könnten in der gegenwärtigen Situation nicht erledigt werden. Pollack: „Insofern gilt kritische Solidarität mit der Ukraine. Was nicht bedeutet, dass man alles unterschreibt, was dort geschieht.“

Viel Verständnis für die Abläufe in der Ukraine attestiert Pollack den österreichischen Politikern nicht. Immerhin sei Österreich das einzige Land, dass Putin nach der Annexion der Krim empfangen hat. Pollack: „Das hat mir die Schamesröte ins Gesicht getrieben.“ Dieses Verhalten komme auch in der Ukraine denkbar schlecht an.

Eine Beendigung des Konflikts durch Aufteilung der Ukraine könnte laut Pollack für Europa bedeuten, dass es einen brandgefährlichen, eingefrorenen Konflikt gäbe, von dem man nie wisse, ob er sich ausweite, z.B. auf die baltischen Länder. Pollack: „Das sehe ich als große Gefahr.“