AllArtNow - Syrische Kunst auf Wanderschaft
Die 2005 gegründete Galerie AllArtNow war der erste unabhängige Kunstraum in Syrien. 2012 sperrte sie ihre Tore und zeigt seitdem die Arbeiten ihrer Künstler als eine Art nomadisches Museum an wechselnden Orten weltweit. Jetzt macht AllArtNow Station in der Wiener Hinterland-Galerie, die ihren Fokus ganz auf die Gegenwartskunst im Nahen Osten gelegt hat.
8. April 2017, 21:58
Die Ausstellung mit dem Titel "I will never get used to waiting" wird heute eröffnet.
Morgenjournal, 11.3.2015
Es ist das Gefühl eines auf unbestimmte Zeit aufgeschobenen Lebens, das die Menschen in Syrien quält. Und so festgefahren die Lage ist, geht mittlerweile die Angst um, dass dieses Warten auf bessere Zeiten zu einem niemals endenden Zustand werden könnte. Die Leiterin der AllArtNow-Gallery Abir Boukhari: "Die Universität ist noch offen und ich gehe auch noch jeden Tag ins Büro und versuche zu arbeiten. Das alles hat aber nichts mit dem Leben zu tun, wie wir es vor dem Krieg gewohnt waren. Meistens gibt es keine Elektrizität und im letzten sehr harten Winter konnten wir kaum heizen. Im Zentrum von Damaskus scheint das Leben recht normal zu verlaufen, aber überall sonst spüren die Menschen den Krieg ganz unmittelbar."
"Krieg wirkt sich auch auf Farben aus"
An der linken Galeriewand sind eine große schwarze Stoffbahn mit Einschnitten und ein großes Messer aufgehängt. Der Blick durch die Schnitte bringt aber keinen Hoffnungsschimmer, denn zu sehen ist nur ein ebenso schwarzer Hintergrund. Ein Bild im nächsten Raum zeigt die wieder ganz in Schwarz gehaltene völlig zerfaserte Darstellung einer menschlichen Figur, als ob das quälende Warten den Körper langsam zersetzen würde. Abir Boukhari: "Beim Blick auf die ausgestellten Arbeiten fällt gleich auf, wie stark schwarz und weiß dominieren. Sogar auf die verwendeten Farben wirkt sich der Krieg aus und viele Künstler sind auch von der Malerei zur Zeichnung übergegangen."
Erster unabhängiger Kunstraum
AllArtNow hat in Syrien Pionierarbeit geleistet. Bis zur Galeriegründung im Jahr 2005 gab es nämlich keinen unabhängigen Kunstraum im Land. Dementsprechend hatten Abir Boukhari und ihr Team mit ihren Räumlichkeiten im Zentrum von Damaskus einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. "Anfangs waren wir nicht gerade gern gesehen und hatten deshalb nicht einmal ein Schild an unserer Galerie", erinnert sich Abir Boukhari. "Aber dann kamen immer mehr junge Leute zu uns, manche, nachdem sie uns tagelang quer durch Damaskus gesucht hatten. Es gelang uns einige Projekte zu realisieren, Festivals ins Leben zu rufen und Artist-in-Residence-Programme zu starten. Sogar ein internationales Austauschprogramm gab es damals."
Unterkunft für Flüchtlinge
Wollten ausländische Künstler und Kuratoren mit der syrischen Kunstszene Kontakt aufnehmen, dann war die AllArtNow-Gallery in Downtown Damaskus der Brückenkopf. Doch dann brach Anfang 2011 der Bürgerkrieg in Syrien aus, der auch die Kunstszene weitgehend zum Erliegen brachte. Die Galerie versuchte den Betrieb aber irgendwie aufrecht zu erhalten. Abir Boukhari: "2012 kam dann aber unser Haustechniker zu mir und fragte mich, ob er seine Familie in der Galerie unterbringen dürfe, nur für ein oder zwei Wochen bis sich die Lage in seinem Heimatort wieder entspannt hätte. Damals stellte ich mir die Frage, habe ich das Recht, ein Haus für die Kunst frei zu halten, wenn es gleichzeitig Menschen gibt, die dringend ein Dach über dem Kopf brauchen."
Service
Ausstellungen weltweit
Seitdem ist die Galerie zum Flüchtlingsheim geworden. AllArtNow hat seine Aktivitäten aber keineswegs eingestellt, denn von ihrem Büro in Damaskus aus organisiert Abir Boukhari weltweite Ausstellungen ihrer Künstler. Jetzt macht die Schau "I will never get used to waiting" Station in Wien. Eröffnung ist heute Abend in der Hinterland-Galerie.