Leipzig: Amos Oz mit "Judas"

In Leipzig findet derzeit die Frühjahrsbuchmesse statt - heuer mit einem Israel-Schwerpunkt mit rund 70 Veranstaltungen. Mit dabei sind Autorinnen und Autoren wie Meir Shalev, Lizzie Doron, Gila Lustiger und - allen voran als Stargast - Amos Oz.

Nach Leipzig ist er mit seinem neuen Roman gekommen: "Judas" wurde soeben von Mirjam Pressler ins Deutsche übersetzt. Sie wurde dafür mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet.

Mittagsjournal, 14.3.2015

Aus Leipzig,

Der 75-jährige Amos Oz gehört zu den bekanntesten Botschaftern seines Landes - nicht nur mit seinen Büchern, die in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden, sondern auch mit seinem politischen Engagement als Vertreter der Friedensbewegung und der Zwei-Staaten-Lösung.

"Auf der Seite von allen"

"Wenn es keinen Frieden gibt, werden uns die Araber eines Tages besiegen. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Geduld", das sagt Schmuel, Protagonist in Amos Oz' neuem Roman "Judas". Von Politik, Religion und Liebe erzählt dieser Roman, von Treue und Verrat. Eingebettet in eine Dreiecksgeschichte im Jerusalem des Winters 1959/60 werden die Ideale des Zionismus verhandelt und die jüdisch-arabischen Konflikte.

"Dieses Buch ist voller Ideen, aber es ist kein Manifest", sagt Amos Oz. "Es geht hier um vier oder fünf ganz verschiedene Weltsichten, und jede einzelne hat meine volle Unterstützung und meine ganze Empathie. Ich bin auf der Seite von allen und gleichzeitig von niemandem."

"Acht Millionen halten sich für Messias"

Es sind jene großen Themen Fragen, die in seiner Heimat ohne Ende diskutiert werden, sagt Amos Oz: "Israel ist eine Nation mit acht Millionen Einwohnern, acht Millionen Premier-Ministern, acht Millionen Propheten, acht Millionen, die sich für Messias halten. Jeder hat sein persönliches Rezept für die sofortige Erlösung. Jeder redet ununterbrochen und keiner hört zu, außer mir. Ich mache Bücher daraus und davon lebe ich."

Judas habe ihn schon immer fasziniert, sagt Amos Oz - der Verrat und die Figur des Verräters: "Ich wurde in meinem Land selbst oft als Verräter beschimpft, aber ich trage das wie ein Ehrenzeichen am Revers, weil immer wieder in der Geschichte wurden große Männer von ihren Zeitgenossen 'Verräter' genannt, politische Führer wie Lincoln, Churchill oder de Gaulle. Sie wurden Verräter genannt, einfach weil sie ihrer Zeit voraus waren." Bei seiner Beschäftigung mit Judas ist Amos Oz zu dem Schluss gekommen, dass diese Geschichte das Tschernobyl des Antisemitismus sei.

"Bin hier wegen Böll, Lenz und Bachmann"

Als Kind Ost-europäischer jüdischer Flüchtlinge und Nazi-Überlebender war er sich vor 50 Jahren gedacht, dass er nie einen Fuß auf deutschen Boden setzen werde, dass er nie irgendein deutsches Produkte kaufen würde, erklärte Amos Oz, aber: "Die Bücher konnte ich nicht boykottieren, weil dann wäre ich genauso wie jene gewesen, die ich verachtete. Und ich habe die Bücher der deutschen Nachkriegs-Autoren gelesen. Sie haben einige meine Ansichten über Deutschland verändert. Ich bin heute nicht in Leipzig wegen der deutsch-israelischen Politiker, ich bin hier wegen Heinrich Böll und Günter Grass, wegen Siegfried Lenz, Ingeborg Bachmann und Hans-Magnus Enzensberger. Es ist die Kraft der Literatur."