Kurdenkonflikt in der Türkei vor Ende

In der Türkei könnte heute ein entscheidender Tag im Konflikt zwischen der Regierung und der kurdischen Arbeiterpartei PKK sein. Es ist das kurdische Neujahrsfest, aus diesem Anlass rechnen viele mit einer Botschaft von Abduallah Öcalan, der Chef der PKK, der seit Jahren im Gefängnis ist. Möglicherweise wird Öcalan das Ende des bewaffneten Kampfes verkünden. Ein Schritt, auf den die türkische Regierung seit Jahren drängt. Ob Öcalan diesem Drängen nachgibt, darauf warten die Kurden gespannt.

Morgenjournal, 21.03.2015

Öcalans politische Botschaft wird verlesen

Seit Tagen schon strömen tausende Aktivisten in die Kurdenhochburg Diabakir im Südosten des Landes. Hier soll sie heute verlesen werden: die vielleicht wichtigste politische Botschaft in der Türkei seit langem. Viel rechnen damit, dass der inhaftierte Kurden-Führer Abdullah Öcalan ein Ende des bewaffneten Kampfes verkünden und konkrete Schritte und Forderungen zu einer politischen Lösung der Kurdenfrage ankündigen wird. "Wir alle wollen die Freiheit für Öcalan. Wir wollen ein friedliches Leben", sagt ein kurdischer Aktivist. "Die Regierung muss unsere Botschaft verstehen. Sonst beginnt eine chaotische Zeit in unserem Land."

Kurden bleibt Autonomie bisher verwehrt

Die regierenden islamischen Konservativen führen seit 2010 Verhandlungen mit der verbotenen PKK und ihrem Anführer, anfänglich noch unter strenger Geheimhaltung. Anders als seine Vorgänger hat der langjährige Regierungschef und heutige Präsident Tayyip Erdogan eine Aussöhnung mit den Kurden vorangetrieben. Wenngleich der Versöhnungsprozess sehr zaghaft bleibt. Zwar ist die Sprache "Kurdisch" mittlerweile nicht mehr verboten, in der Schule darf sie aber nur als Wahlfach und als Fremdsprache unterrichtet werden. Zwar sitzen pro-kurdische Abgeordnete im Parlament in Ankara, die auch als Vermittler zwischen den PKK-Kämpfern, ihrem inhaftierten Chef und der türkischen Regierung fungieren. Doch echte Autonomie bleibt den Kurden bisher verwehrt.

Friedensprozess ist holprig

Auch die jetzigen politischen Führer fallen immer wieder in alte Muster zurück. So leugnet Tayyip Erdogan überraschenderweise jüngst wieder, dass es überhaupt ein Kurdenproblem gebe. Was viele schockiert hat, war möglicherweise ein taktisches Manöver. Doch bleibt der Friedensprozess holprig sagt der bekannte Politologe Cengiz Aktar im ORF-Interview: "Wir Türken wissen nicht, wie man nachhaltig Frieden schafft und einen Versöhnungsprozess richtig aufbaut. Für uns herrscht Frieden, wenn sich niemand gegenseitig umbringt. Aber die Kurden erwarten viel mehr. Sie wollen ein föderales System, sie wollen sich selbst verwalten. Und die Regierung ist weit davon entfernt, dies zu verstehen."

Neues kurdisches Selbstbewusstsein

Das kurdische Selbstbewusstsein ist jüngst jedenfalls deutlich gestiegen. Angefacht durch die autonome Kurdenregion im Nordirak, deren Verwandlung zu einem souveränen Staat wohl nur mehr eine Frage der Zeit ist. Militärische Erfolge der kurdischen Brüder gegen die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates im Irak und Syrien - das alles spornt auch die türkischen Kurden an. Und so mag der bewaffnete Kampf der PKK vielleicht wirklich zu Ende gehen. Die politischen Forderungen der Kurden, die werden eher noch lauter. Und der angestaute Frust, der kann jederzeit neu explodieren.