Neuer Konflikt PKK - Türkei

Die kurdische Untergrundorganisation PKK warnt offen vor einem Scheitern der Friedensverhandlungen mit der türkischen Regierung sollte Ankara nicht zügig klare Zugeständnisse machen. Ein von der Regierung geplantes Sicherheitsgesetz, das der Polizei deutlich mehr Machtbefugnisse einräumen soll, heizt die Stimmung weiter an.

Mittagsjournal, 21.2.2015

Aus Istanbul,

Mindestens 40.000 Menschen haben im Konflikt zwischen den Kurden und der türkischen Regierung in den vergangenen zwei Jahrzehnten ihr Leben verloren. Mühsam hat man vor zwei Jahren einen neuen Verhandlungsanlauf begonnen, doch der Friedensprozess zwischen Kurden und der türkischen Regierung scheint erneut ins Stocken geraten. Die kurdische Terrororganisation PKK warnt jetzt offen vor einem Scheitern der Friedensverhandlungen sollte die türkische Seite nicht zügig klare Zugeständnisse machen. Ein von der Regierung in Ankara geplantes Sicherheitsgesetz, das der Polizei deutlich mehr Machtbefugnisse einräumen soll, heizt die Stimmung weiter an. Die seit zwei Jahren größtenteils eingehaltene Waffenruhe scheint brüchig.

Man könnte meinen der Friedensprozess sei hier bereits gescheitert. In der Kurdenstadt Cizre im Südosten der Türkei, im Grenzgebiet zu Syrien und dem Irak, herrscht in manchen Nächten regelrecht Krieg. Manchmal explodieren Granaten, regelmäßig ist Maschinengewehrfeuer zu hören, vermummte Jugendliche werfen Molotowcocktails, mehrere verlieren ihr Leben. Und das geht seit vielen Wochen so. In die Gewalt verwickelt sind türkische Sicherheitskräfte und rivalisierende kurdische Gruppen. Neben der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK offenbar auch die sogenannte türkische Hisbollah, eine radikal-religiöse kurdische Gruppierung, die in der Türkei zunehmend als Bedrohung wahrgenommen wird. Dass die Türkei einfach zugesehen hat wie auf der anderen Seite der Grenze in Syrien die Kurdenstadt Kobane von Terroristen des sogenannten islamischen Staates zerstört worden ist, das hat den Kurdenkonflikt zuhause neu angeheizt.

Trotzdem: noch läuft der zwischen der türkischen Regierung und der PKK und ihrem inhaftierten Führer Abdullah Öcalan 2012 begonnene Friedensprozess. Doch werfen beide Seiten einander gegenseitig vor, Vereinbarungen nicht einzuhalten. Die PKK macht keine Anstalten ihre Waffen abzugeben, echte politische Zugeständnisse auf Seite der Regierung lassen ebenfalls auf sich warten. Regierungschef Davutoglu warnt: „Der Friedensprozess ist an einem kritischen Wendepunkt angelangt. Ein echter Friedensprozess braucht Wahrhaftigkeit, Mut und vor allem guten Willen. Es genügt nicht über Frieden dauern nur zu reden. Es braucht konkrete Schritte“ sagt der Premierminister.

Die unwürdigen Szenen vor wenigen Tagen im Parlament in Ankara geben wenig Anlass zu Hoffnung. Stühle und Fäuste fliegen zwischen Abgeordneten der Regierung und der Opposition. Verletzte werden abtransportiert. Anlass: ein umstrittenes Sicherheitspaket, das die Rechte der Polizei massiv ausweiten soll und das Kurdenvertreter als gezielt gegen ihre Volksgruppe gerichtet sehen: „Wir wollen eine Lösung. Wir wollen auch eine Abgabe der Waffen erreichen“ sagt der Chef der pro-kurdischen Partei im Parlament. „Aber wenn die Regierung dieses umstrittene Sicherheitspaket durchdrücken will und gleichzeitig Fortschritte im Friedensprozess erwartet, dann wird sich das nicht ausgehen.“

Präsident Erdogan sitzt in der Zwickmühle. Er will möglichst bald einen Verhandlungserfolg mit den Kurden erzielen. Auch um bei den Parlamentswahlen im Juni bei der Bevölkerung punkten zu können. Erdogan will seine Machtfülle als Präsident massiv ausweiten und dafür braucht er eine große Stimmenmehrheit im Parlament. Gleichzeitig will er aber auch die Befugnisse der Polizei und seiner Verbündeten in der Politik stärken, um gegen seine Gegner vorgehen zu können wie Kritiker meinen. Es ist die Zeit der Populisten auf allen Seiten und des innenpolitischen Taktierens. Und so wächst die Gefahr, dass wieder einmal die Chance auf dauerhaften Frieden verpasst wird.