Türkische Regierung verhandelt mit PKK

Dreißig Jahre lang hat die kurdische PKK gegen das türkische Militär gekämpft. In diesem Krieg um kulturelle Selbstbestimmung wurden von beiden Seiten auch Zivilisten nicht geschont. Etwa 40.000 Menschen dürften getötet worden sein. Doch jetzt ist eine politische Lösung in greifbare Nähe gerückt. Die türkische Regierung verhandelt mit dem seit 13 Jahren inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan. Es ist zwar nicht der erste Versuch, doch diesmal scheinen die Chancen gut zu stehen

Morgenjournal, 10.1.2013

Aus Istanbul,

Geheime Gespräche

Seit Tagen überschlagen sich türkische Zeitungen mit Spekulationen: Was hat Geheimdienstchef Hakan Fidan mit dem inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan besprochen? Manche berichten sogar schon von einem Durchbruch. Der blutige Konflikt im Südosten der Türkei könnte demnach bald Geschichte sein. Tatsache ist: Die türkische Regierung setzt zurzeit einiges daran, um mit dem bisherigen Staatsfeind Nummer Eins im Gespräch zu bleiben.

Das hat auch Ministerpräsident Erdogan - auf seine Art – bestätigt: Wir setzen unsere militärischen Operationen gegen die separatistischen Terroristen fort. Das hindert uns aber nicht daran, wie auch schon in der Vergangenheit mit deren politischen Vertretern Gespräche zu führen, so Erdogan, der sich zurzeit in Afrika aufhält.

Abzug der PKK-Kämpfer als Ziel

Was die türkische Regierung von der PKK verlangt und was sie dafür bereit ist zu geben, darüber gehen die Aussagen allerdings auseinander: Wichtig ist, wie viele PKK-Leute die Türkei verlassen, und vor allem wie sie das Land verlassen sollen – nämlich nachdem sie ihre Waffen niedergelegt haben, so Erdogan. Etwas anders sieht es Öcalans De-Facto-Stellvertreter Murat Karaylan, der vom Nordirak aus die PKK-Truppen befehligt. Er sagt, die türkische Regierung habe nicht die Entwaffnung der PKK gefordert, sondern nur ihren Rückzug über die irakische Grenze.

Insider aus dem Regierungslager behaupten, es gebe einen Vier-Stufen-Plan: Beginnen soll es mit dem gesicherten Abzug der etwa 2.500 PKK-Kämpfer aus der Türkei, um dann schrittweise zu einer Amnestie und einer Dezentralisierung der Verwaltung zu führen. Dass Erdogan und seine Regierung gerade jetzt mit Öcalan und der PKK reden, dürfte innenpolitische wie außenpolitische Gründe haben.

In eineinhalb Jahren will Erdogan der erste vom Volk gewählte Staatspräsident werden. Um die deutliche Mehrheit zu bekommen, die er dafür anstrebt, nämlich 60 Prozent, braucht er auch viele kurdische Stimmen, ohne dabei die Unterstützung der türkischen Nationalisten zu verlieren. Um das zu schaffen, muss er ein Kunststück fertig bringen: Sich gleichzeitig kompromissbereit und unnachgiebig zu geben.
Kompromissbereit bei den kulturellen Rechten der kurdischen Minderheit. Unnachgiebig, wenn es um die Frage der Unteilbarkeit der Türkei geht. Und gerade in diesem Punkt scheint der legendäre PKK-Führer seinem türkischen Gegenspieler entgegen zu kommen. Und das hat wieder außenpolitische Gründe.