Türkei zögert im Umgang mit Syrien

Seit türkische Kampfjets eine syrische Passagiermaschine mit russischer Fracht abgefangen haben, hat der Bürgerkrieg in Syrien eine neue, internationale Dimension bekommen. Dabei ist immer noch nicht klar, was eigentlich an Bord des Flugzeuges war und was die Türkei dazu veranlasst hat, mit Russland auf Konfliktkurs zu gehen.

Morgenjournal, 13.10.2012

Syrienkonflikt über Luftraum ausgetragen

Der Bürgerkrieg in Syrien könnte sich in der Luft entscheiden, meinen türkische Militärexperten. Ohne Unterstützung von Kampfflugzeugen würde es den Anti-Assad-Rebellen nicht gelingen, die Regierungsarmee zu schlagen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung Ankaras zu sehen, ein syrisches Passagierflugzeug mit russischer Fracht abzufangen.

Denn sollte Russland die syrische Luftwaffe mit neuen Raketen ausstatten, dann wären die möglicherweise dazu bestimmt, türkische Kampfflugzeuge zu treffen, falls die den Rebellen zu Hilfe kommen. Noch weiß man nicht genau, was in jenen zwölf Kisten war, die an Bord des syrischen Passagierflugzeuges gefunden wurden.

Russland: Radarsystem für Syrien

Je länger die Türkei zögert, bekannt zu geben, was der Inhalt der Kisten war, desto glaubwürdiger wird die russische Version. Die besagt, es habe sich um Teile eines Radar-Systems gehandelt. In diesem Fall hätten Russland und Syrien wohl nicht gegen internationales Recht verstoßen, und das Abfangen der Maschine wäre widerrechtlich gewesen.

Doch auch dann wäre die Aufregung der Türkei verständlich. Die Anti-Assad- Rebellen verfügen weder über ein Radarsystem, noch über Boden-Luft-Raketen. Und wenn es nach den USA geht, sollen sie bis auf weiteres auch keine modernen Waffen bekommen. Zumindest solange nicht geklärt ist, wer innerhalb der syrischen Opposition das Sagen hat und ob Waffen aus dem Westen nicht in die Hände radikaler Islamisten geraten könnten.

Assad-Regime hält sich länger

Für die Türkei bedeutet das: Assad könnte sich noch länger halten. Der Flüchtlingsstrom in die Türkei wird wohl weiter kein Ende nehmen und die Lage an der 910 Kilometer langen syrisch-türkischen Grenze gefährlich bleiben. Sollte Russland Assad weiterhin beistehen, wird die Türkei dem nichts entgegensetzen können. Schließlich hat Ankara nicht die Absicht, wegen Syrien den Handel mit Russland aufs Spiel zu setzen – vor allem nicht die lebenswichtigen Gaslieferungen. Der zweitgrößten Armee der NATO (Organisation des Nordatlantikvertrags) sind also weiterhin die Hände gebunden.

Dass die Türkei das syrische Passagierflugzeug nicht still und leise abgefangen hat, sondern mit lautem politischen Getöse,- das wird hier – zwei Tage später - als Ausdruck der Ohnmacht, nicht der Stärke gewertet.

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