Frankreich: Debatte um Sicherheitsgesetz
In Frankreich wird die Nationalversammlung heute eine dreitägige Debatte über ein sehr umstrittenes, neues Geheimdienstgesetz abschließen, das nach den Terroranschlägen von Anfang Januar von der Regierung - viele sagen «überhastet» - auf den Weg gebracht wurde und Anfang Mai, nach der Lektüre im Senat, endgültig verabschiedet werden soll.
8. April 2017, 21:58
Die französische Datenschutzbehörde, zahlreiche Menschenrechtsorganisationen wie «Human Rights Watch» und Richterverbände laufen dagegen Sturm und warnen vor einer Überwachungsgesellschaft - die Regierung hält dagegen, dieses Gesetz sei angesichts der Terrorbedrohung und Cyberkriminalität unerlässlich geworden.
Mittagsjournal, 15.4.2015
Aus Paris,
Selbst die New York Times hat Anfang April in einem geharnischten Leitartikel den Entwurf es neuen Geheimdienstgesetzes schlicht als gefährlich bezeichnet und vor dem Hintergrund der amerikanischen Erfahrungen an die französischen Parlamentarier appelliert, ihm nicht zuzustimmen, das ganze unter dem Titel: «Der französische Überwachungsstaat».
Wichtigste Neuerungen im Gesetz : die Überwachung von Telefongesprächen oder Internet-Kommunikation bedarf im Verdachtsfall keiner richterlichen Genehmigung mehr, alle Macht liegt beim Premierminister, eine noch zu gründende Kontrollkommission aus Parlamentariern und Richtern hat nur beratende Funktionen. Konkret sollen die Geheimdienste die Möglichkeit haben, per Keylogger in Echtzeit mitzuverfolgen, was Verdächtige per Computer schreiben und mit einem so genannten IMSI Catcher in einem bestimmten geographischen Bereich sämtliche Handy Kommunikationen aufzuzeichnen: 10
Dieses Gesetz zur Überwachung ist ein Patriot Act à la francaise und ein Versuch, den Geheimdiensten Vollmachten zu geben / Wir erleben den Versuch, ein System von Brig Brother zu installieren, sagt der Politologe Thomas Guenolé .
Der Berichterstatter des Gesetzes, der sozialistische Abgeordnete Urvoas hält dagegen: Wir streben keine Generalüberwachung an. Die Amerikaner haben uns gezeigt, dass das nichts bringt. Wir streben eine verstärkte Überwachung derer an, die als Bedrohung identifiziert sind.
Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt der Gegner des Gesetzes, zu denen sogar Polizeigewerkschaften gehören: die Kriterien für das Auslösen von Überwachungsaktionen gehen weit über akute Terrorgefahr hinaus: die nationale Sicherheit, grundlegende Interessen der französischen Außenpolitik oder ökonomische und wissenschaftliche Interessen. Selbst dem obersten französischen Antiterrorrichter Marc Trevidic geht das zu weit: Der Staat kann irgendwann versucht sein, politische Gegner zu überwachen, Protestbewegungen und soziale Bewegungen, das heißt politische Überwachung. Die Kriterien in diesem Gesetz sind derart vage, das der Premierminister wirklich enormen Spielraum hat.
Viele Experten betonen jedoch mit einer guten Portion Zynismus: letztlich werde dieses Gesetz nur Geheimdienstpraktiken legalisieren, die de facto schon seit Jahren angewandt werden.
Erste Konsequenz, noch bevor das Gesetz überhaupt verabschiedet ist: sieben große französische Internetprovider drohen, das Land zu verlassen, angesichts der Möglichkeit, dass die Sicherheitsdienste bei den Telekomanbietern künftig eine Blackbox platzieren dürfen, welche Gespräche, SMS und Daten jeglicher Art aufzeichnen kann, mit Suchwörtern, die niemand kennt – die Provider befürchten riesige Einbußen und das Abwandern ihrer internationalen Kunden.