EU ratlos angesichts der Flüchtlingstragödien

Von neuen Tragödien im Mittelmeer ist nun schon fast jeden Tag die Rede. Zuletzt wurde berichtet, dass auf einem der Boote muslimische Passagiere zwölf christliche Mitreisende ins Meer geworfen hätten. Die Flüchtlingskrise wird sich weiter zuspitzen, davon geht auch die EU in einer aktuellen Einschätzung aus. Aber bei der Suche nach Wegen zur Abhilfe regiert derzeit Ratlosigkeit.

Mittagsjournal, 17.4.2015

"Die EU-Kommission kann das nicht alleine schaffen"

Optimismus ist fehl am Platz, das macht Natascha Bertaud, Sprecherin der EU-Kommission, ganz unverblümt deutlich: "Die Lage ist ernst und wir müssen damit rechnen, dass sie noch ernster wird, wenn das Wetter besser wird und der bewaffnete Konflikt weitergeht." Die Zeichen stehen der Tat auf weitere Zuspitzung der humanitären Krise.

In den ersten beiden Monaten des Jahres, also noch bei Winterwetter, haben schon mehr als ein Drittel mehr Menschen als im letzten Jahr die lebensgefährliche Reise in schrottreifen Booten auf sich genommen, um - in erster Linie von Libyen aus - das Territorium der EU über das Meer zu erreichen. Und noch immer gibt es kaum einen Ansatz, um sich in europaweiter Koordination mit dem Problem zu befassen.

Zwar patrouillieren einige Schiffe der EU- Grenzschutzagentur Frontex im Mittelmeer, aber deren Auftrag ist in erster Linie die Überwachung der Grenze und nicht das Retten von Menschenleben. Und wenn es um jene geht, die es bis auf den Boden der EU geschafft haben, dann ist von koordinierter Unionspolitik auch nicht viel zu spüren. Griechenland, Italien und Malta sind die Länder, die als Anlaufstelle für Hunderttausende dienen. Deutschland, Frankreich, Schweden und auch Österreich nehmen Flüchtlinge in größerer Zahl auf, andere EU-Staaten haben bisher wenig Bereitschaft zu größerem Entgegenkommen gezeigt. "Die EU-Kommission kann das nicht alleine schaffen", sagt ihre Sprecherin Natascha Bertaud. Wir, also, die EU, haben keine Zaubermittel um das ganz einfach so zu bewerkstelligen.

Hilfsprogramme dringend notwendig

Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, hat bei ZDF online scharfe Kritik am Umgang der meisten EU-Staaten mit dem Problem geübt. Er wird mit den Worten zitiert: "Ich empfehle jedem, sich die Lage in der Türkei, Jordanien oder im Libanon anzuschauen. Die Türkei hat mehr als zwei Millionen Flüchtlinge. Jordanien ist ein Land mit fünf Millionen Einwohnern, die haben zwei Millionen Flüchtlinge im Land. Wenn dann reiche Länder wie in Europa sagen, sie seien damit überfordert, finde ich das schon merkwürdig."

Schulz fordert dringend Hilfsprogramme, auch um in Staaten wie Libyen zum Wiederaufbau gescheiterter Strukturen beizutragen, in der Hoffnung, dass Leute, die eigenen Land doch so etwas wie Zukunft erblicken, den Weg über das Meer nach Europa dann gar nicht mehr ins Auge fassen.