Flüchtlingsdrama: Was passierte an Bord?
Weder Überlebende noch Leichen - die nächtliche Suchaktion der italienischen Küstenwache nach dem gestrigen Flüchtlingsdrama im Mittelmeer ist bisher erfolglos geblieben. Von den 28 Überlebenden berichten einige von mehr als 700 Menschen, die bei dem Unglück ums Leben gekommen sein sollen. Unterdessen werden immer mehr Details zu der vermutlich größten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer bekannt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 20.4.2015
EPA/Opielok Offshore Carriers
Mehr als 700 Menschen werden im Mittelmeer vermisst, berichtet die Sprecherin des UNO-Flüchtlingshilfswerks, Carlotta Sami. Einer der wenigen Überlebendern, ein junger Mann aus Bangladesch, berichtet, dass sich an Bord des gekenterten Fischerbootes sogar rund 950 Personen befunden hätten, darunter bis zu 50 Kinder und etwa 200 Frauen. Viele Flüchtlinge seien zum Zeitpunkt des im Laderaum des 20-Meter-Bootes eingeschlossen gewesen.
Als sich das zu Hilfe eilende Handelsschiff genähert hat, haben sich die Flüchtlinge an Bord des vollgepferchten Fischerbootes an die Seite gedrängt. Dadurch kam der Kahn aus dem Gleichgewicht und ist gekentert. Hunderte sind ins Wasser gefallen, mit dem Boot über sich.
Der Kapitän des portugiesischen Handelsschiffes berichtet, dass das Flüchtlingsboot gekentert sei, noch bevor überhaupt die Rettungsboote ins Wasser gelassen werden konnten. Neben der Küstenwache haben sich auch einige sizilianische Fischerboote an der Suche nach Überlebenden beteiligt. Bisher konnten sie nur vier Leichen bergen, darunter auch jene eines etwa 10-jährigen Kindes. Die Hoffnung, weitere Vermisste lebend zu finden, ist gering. Dort, wo das Boot vom Meer verschluckt wurde, sind nur mehr Holzstücke und Ölflecken auf der Wasseroberfläche zu sehen.
Hunderte Menschen sind vermutlich ertrunken und werden vermisst. Damit sind allein seit Jahresbeginn mehr als 1.500 Tote zu beklagen - eine erschreckende Zahl.
Bisher konnten bei dem Unglück nur zwei Dutzend Leichen geborgen werden, die von einem italienisches Marineschiff heute Früh nach Malta gebracht worden sind. Unterdessen verschärft die italienische Polizeiihren Einsatz gegen den Menschenhandel. In Palermo wurde ein internationaler Schlepperring zerschlagen, der hunderte Flüchtlinge nach Italien und weiter nach Deutschland, Norwegen und Schweden geschleust haben soll.