Von Polina Scherebzowa
Polinas Tagebuch
Aufgewachsen ist Polina Scherebzowa in Grosny, inmitten der Tschetschenienkriege. Bei Ausbruch des ersten Krieges war sie neun Jahre alt. In ihrem Tagebuch hielt sie fest, was sie erlebte, was sie sah und vor allem: wie sie überlebte.
8. April 2017, 21:58

ROWOHLT VERLAG
"Von diesem Tagebuch wird man sich lange nicht erholen - und das ist gut so."
Der erste Tschetschenienkrieg wurde von 1994 bis 1996 geführt. Kriegsgründe gab es im Kaukasus im Lauf der Geschichte immer, aber damals reagierten die Russen auf die angebliche Unterdrückung der russischen Minderheit nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes 1991. Der zweite Krieg war wesentlich brutaler und dauerte zehn Jahre lang, von 1999 bis 2009. Er endete mit dem Sieg Russlands und der Einsetzung des moskautreuen Präsidenten Ramsan Kadyrow.
Polina Scherebzowa hat beide Kriege erlebt, zuerst als Kind, dann als Jugendliche. Ab 2006 hat die Autorin in Moskau gelebt, doch ihre Kritik auch am russischen Vorgehen in Tschetschenien machte sie unbequem - Drohungen und körperliche Attacken waren die Folge. Jetzt ist sie dreißig Jahre alt und hat 2013 in Finnland politisches Asyl erhalten.
Wenn man dieses Tagebuch liest, vergisst man, ob Nacht ist oder Tag, und was man gerade noch erledigen wollte, wird unwichtig. Den Aufzeichnungen der verwundeten, aber ungebrochenen Polina Scherebzowa und ihrer unbestechlichen Chronik entgeht man nicht. Sie hält fest, wie Russland 1999 gezielt den Marktplatz von Grosny bombardiert und Panzer in Fenster und Hauseingänge schießen.
Mittlerweile ist in Russland Putin an der Macht, die wichtigsten Medien sind gleichgeschaltet und berichten nicht mehr über Kriegsverbrechen. Das instruktive Nachwort des Übersetzers Olaf Kühn zieht diese Koordinaten und analysiert, was die von Polina Scherebzowa festgehaltenen Ereignisse mit dem heutigen Russland sowie mit den Konflikten in Transnistrien, Georgien und dem Krieg in der Ostukraine zu tun haben - eine dringend notwendige Ergänzung zum Kurzzeitgedächtnis der Medien.
Service
Polina Scherebzowa, "Polinas Tagebuch", aus dem Russischen von Olaf Kühl, Rowohlt Berlin