Mordfall Alijew: "Eklatanter Justizskandal"

Der Mordfall Alijew wird immer mehr zu einer für Österreich peinlichen Angelegenheit: Im Beschluss zur Freilassung der beiden Mord-Angeklagten schreiben die drei Richter nun von "Naivität" der Staatsanwaltschaft. Offenbar vermuten die Richter, dass zwei kasachische Bankmanager nicht von Rachat Alijew und den beiden Angeklagten sondern vom kasachischen Geheimdienst ermordet worden sind.

Morgenjournal, 9.5.2015

Richter kritisieren Staatsanwaltschaft

Im Beschluss zur Freilassung der beiden Doppelmord-Angeklagten lassen die Richter kaum Zweifel daran, dass sie Kasachstan für eine Diktatur halten. Mit 97% der Stimmen sei Staatspräsident Nasarbajew erst kürzlich wiedergewählt worden, heißt es da. Und was den Fall Alijew betrifft, sei der Verdacht nahezu belegt, "dass von den kasachischen Stellen Beweismittel manipuliert werden."

Es gebe auch Indizien, "dass die beiden Bankmanager in Wahrheit vom kasachischen Geheimdienst getötet wurden und der Mordfall konstruiert wurde, um Alijew auszuschalten." Der Staatsanwaltschaft Wien werfen die drei Richter vor, dass sie "alle Beweismittel aus Kasachstan ungeprüft übernimmt".

"Eklatanter Justizskandal"

Martin Mahrer, der Anwalt des Angeklagten Alnur Mussajew fühlt sich in all seinen Kritikpunkten bestätigt und spricht von einem Justizskandal: "Der Justizskandal ist deshalb eklatant, weil man die Anklage in dieser Form nie erheben hätte dürfen." Und Alijew Anwalt Manfred Ainedter formuliert, die Anklage schmelze dahin wie Butter in der Sonne. Für Mahrer sind der Hintergrund für die Anklageerhebung in Österreich kasachisches Gas und Rohstoffe sowie politischer Druck und der Druck der Opferkanzlei Lansky/Ganzger.

Der für alle Anklagebehörden zuständige Justizsektionschef Christian Pilnacek entgegnet, es habe ja andere Gerichtsbeschlüsse gegeben, wonach sehr wohl Haftgründe und ein dringender Mordverdacht gegeben waren: "Es ist ja mehrmals schon die Frage der Haft bis zum Oberlandesgericht getragen worden und die verschiedenen Beweismittel, die hier kritisiert worden sind, waren damals kein Hindernis von einer dringenden Verdachtslage auszugehen."

Opferanwalt kritisiert Richter

Mehr noch, sagt Opferanwalt Gabriel Lansky: Oberstaatsanwaltschaft, Justizministerium und Weisenrat hätten die Anklage geprüft und es gebe sogar einen Beschluss des Obersten Gerichtshofs. "Wir haben also 19 Top-Juristen der Justiz, die gesagt haben, es gibt einen dringenden Tatverdacht. Der Herr Dr. Böhm und seine beiden Beisitzer glauben - nach einem Bruchteil des Beweisverfahrens - sich anmaßen zu dürfen, zu sagen, dass diese 19 Top-Juristen dieses Landes naiv sind, wörtlich."

Lansky kritisiert also den Richter Andreas Böhm persönlich. Die Anwälte Mahrer und Ainedter sagen aber, Gerichte und Weisenrat etwa würden Anklagen nur auf Plausibilität prüfen und nicht wirklich inhaltlich. Ainedter: "Ich will da dem Weisenrat nicht unbedingt einen Vorwurf machen, aber es wäre vielleicht für die Zukunft zu überlegen, ob man nicht den Weisenrat auch damit befassen sollte, die Akten anzuschauen."

Die Staatsanwaltschaft hat Einspruch erhoben gegen die Haftentlassung der Angeklagten im Alijew-Prozess. Entscheiden muss darüber jetzt ausgerechnet wieder das Oberlandesgericht.