Die Baumrinde zum Baustoff veredelt?
Aus fast 300 Einreichungen der Open Innovation Initiative "Ö1 Hörsaal" erkor die Technische Universität Graz "Das Bauen mit Baumrinde" zu ihrem Siegerprojekt. Der Holzwirt Günther Kain aus dem Salzkammergut beschäftigt sich in seinem Projekt mit der Veredlung eines normalerweise als Abfall gehandelten Stoffes.
8. April 2017, 21:58
Die Rinde am Baum ist der menschlichen Haut ziemlich ähnlich. Rinde wie Haut schützen vor Hitze und Kälte, sie wehren beide bis zu einem gewissen Grad mechanische Schäden ab und lassen durch ihren Säuremantel Schädlinge abblitzen. Dass Rindenschnitzel großflächig als Fallschutz bei Kinderspielplätzen ausgebracht wird, war dem Holzwirten und Lehrer an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in Hallstatt, Günther Kain, zu wenig.
Er untersucht die Einsatzmöglichkeiten von Baumrinde im Bausektor. Und da war seine erste Assoziation: Dämmung. Denn vor allem die Lärchenrinde zeichnet sich dadurch aus, dass sie leicht ist und viele korkähnliche Zellen aufweist. Außerdem puffert sie Temperaturschwankungen weitaus besser ab als ihre erdölbasierten Pendants, die Polystyrolplatten, sprich Styropor.
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Im waldreichen Salzkammergut befinden sich etliche Sägereien, die die gefällten Hölzer direkt am Werksgelände entrinden. Das anfallende Material landet aus Kostengründen schnell im betriebseigenen Ofen. Doch da stellt sich heraus, dass die Borke ziemlich sauer und meist zu feucht ist, um optimal thermisch verwertet zu werden. Also was tun?
"Einfach gesagt, wird die Rinde getrocknet, zerkleinert und zu Platten gepresst", Günther Kain, Holzwirt und Projekteinreicher.
ORF/Ilse Huber
Pro Jahr fallen in Österreich rund zwei Millionen Kubikmeter Rinde an, die laut Projektentwickler Günther Kain in der Baustoffindustrie gut aufgehoben wären. Würde das Rindenmaterial getrocknet, zerkleinert und zu Platten verpresst, ließe sich das Produkt weitreichend einsetzen. Zum Beispiel an der Wand als Dämmschicht. Außen wie innen, denn die rindeneigene Substanz Tannin wirkt wie ein natürlicher Klebstoff, der die einzelnen Platten zusammenhält und beliebig dicke Schichten herstellen kann. Einzig der Härter ist ein petrolbasierter Stoff, dessen Produktanteil bei rund vier Prozent liegt.
Abgesehen von Dämmplatten könnte sich der "Werkstoff Rinde" auch im Innenausbau eignen. Heinz Ferk vom Labor für Konstruktiven Ingenieurbau der TU Graz nennt Eigenschaften wie die Verbesserung der Raumakustik.
"Eine Anwendung ist sicher als Dämmstoff, aber die Daten haben gezeigt, dass hier noch viele andere Anwendungensmöglichkeiten drin stecken", Heinz Ferk, TU Graz - Labor f. Bauphysik.
Sein TU-Graz Kollege Markus Stangl vom Institut für Architekturtechnologie führt auch ästhetische Vorteile in Form von Bodenplatten bzw. Wandpaneelen ins Treffen. Für Viola John, Gastprofessorin von der ETH Zürich, und nun am Institut für Bauphysik tätig, liegt der Reiz des Produktes sogar mehr in der Ästhetik als in der Dämmung.
Wenn sich die Universität Wissen aus der Gesellschaft hereinholt, dann kann das für beide Partner befruchtend sein. Projektsieger Günther Kain erhofft sich aus der Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Graz weitere Testergebnisse über die Rinde als Baumaterial. Weiters könnte das Bau(m)aterial Rinde über das universitäre Kommunikations-Netzwerk bessere Startchancen für einen Feldversuch haben. Für die Universität stellen solch konkrete Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft einen belebenden Input dar, der weitere Überlegungen anstoßen kann.
Man muss die Anwendungsfelder identifizieren, durch eine Zusammenarbeit könnte man mehr Materialkennwerte erforschen und testen um spezifische Anwendungsfelder und Chancen besser identifizieren zu können", Alexander Passer TU Graz - Inst. für Materialprüfung und Baustofftechnologie.
Service
Ö1 Hörsaal - Einreichung - Dämmen mit Baumrinde
TU Graz,Pressestelle - Bauen mit Baumrinde