"Glamour gegen Armut" - Prominente und Charity
Immer öfter sind Prominente im Dienste der guten Sache unterwegs, wie auch am Samstag wieder beim Life Ball. Unbestritten ist, dass Prominente die Aufmerksamkeit auf Hilfsprojekte lenken können. Allerdings wird die Kritik daran immer lauter: Die Anliegen würden in den Hintergrund treten, sagt der renommierte Politologe Ilan Kapoor von der York University in Toronto im Gespräch mit Ö1.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 16.5.2015
Anliegen treten in Hintergrund
Scheinwerfer an und Angelina Jolie, Bono Vox und Madonna stehen im Rampenlicht. Dass es aber gar nicht um sie selbst als Prominente geht, sondern um Entwicklungshilfe, das tritt in den Hintergrund. Es ist der Prominente, nicht der Zweck, der Beachtung findet. Außerdem hätten auch Prominente meist eigene Projekte mit ganz speziellen Interessen, kritisiert Kapoor, Professor für kritische Entwicklungsforschung, im Ö1-Mittagsjournal.
"Hilfe die von Prominenten kommt, hat die Tendenz von oben herab zu sein, sie wissen immer was die Lösung ist, sie sprechen für die dritte Welt, für die benachteiligten Menschen, denen sie helfen wollen", vergleicht Kapoor das Handeln von Prominenten mit Kolonialismus. Seiner Meinung nach bräuchte es mehr einen Ansatz von der Basis aus.
"Jahre nach Live Aid immer noch nichts passiert"
Berühmtheiten versprächen, was sie nicht halten könnten. So wurden beim Live-Aid-Konzert 2005 große Ziele für eine Verbesserung der Situation in den Entwicklungsländern formuliert, zehn Jahre später sei immer noch nichts passiert, sagt Kapoor. "Es gibt immer noch keinen gerechten Handel, kein Übereinkommen mit der Weltbank und auch das für Entwicklungsländer wichtige Abkommen über höhere Agrarexporte in die Industriestaaten fehlt immer noch", zählt Kapoor auf.
Außerdem sind Stars auch nicht ganz uneigennützig im Charity-Business. Kapoor hat sich die Downloads und CD-Verkäufe im Internet zwei Wochen nach dem Live-Aid-Konzert angeschaut, die geringste Verkaufssteigerung bei einem der teilnehmenden Künstler lag bei 200 Prozent, die höchste Steigerung bei mehr als 1.000 Prozent.
"Kümmern uns nur um die Symptome"
Doch was die ist die Lösung? Ohne Promis, keine Aufmerksamkeit, ohne Aufmerksamkeit keine Spenden. Im Notfall bräuchten Hilfsorganisationen aber schnell Geld, für längerfristige Programme bleibe darüber hinaus nichts übrig, betont Kapoor. "Wir kümmern uns mehr um die Symptome als um die Gründe", gibt Kapoor zu bedenken. Viele NGOs würden nur humanitäre Katastrophenhilfe leisten und machten keine langfristige Entwicklungspolitik. "Sie kümmern sich nicht um die tieferen Gründe, warum Menschen fliehen", so Kapoor.
Die Lösung liegt für Kapoor nicht bei Wohltätigkeitsveranstaltungen. Seiner Meinung nach braucht es Druck auf die Regierungen in den Industrieländern. Denn diese hätten es in der Hand, ein Umdenken bei Währungsfonds und Weltbank zu erzwingen. Hilfsgelder dürften nicht an die Kürzung von Sozialleistungen in den Entwicklungsländern gekoppelt werden. Denn dann könnten sich die Entwicklungsländer auch wieder selbst helfen und bräuchten keine Wohltätigkeit von Prominenten mehr, ist Kapoor überzeugt.