Entwicklungshilfe: Regierung uneinig

Angesichts der Flüchtlingsdramen im Mittelmeer will die Koalition die Entwicklungszusammenarbeit aufstocken, um bei der Hilfe in den Herkunftsländern anzusetzen. Nur - wer im Konkreten wieviel zahlen soll, darüber herrscht Uneinigkeit. Das Thema wird heute bei der Sondersitzung des Nationalrats am Nachmittag behandelt.

Mittagsjournal, 4.5.2015

Die sich seit Wochen abspielenden Flüchtlingsdramen im Mittelmeer lenken die politische Aufmerksamkeit nicht nur auf die Soforthilfe im Meer, sondern auch auf das Thema Entwicklungshilfe, auch Entwicklungszusammenarbeit genannt. Die rot-schwarze österreichische Regierung ist sich in ihrem Befund einig: Wenn mehr für die Herkunftsstaaten der unter dramatischen Umständen Auswanderungswillen getan wird, würden weniger Menschen das tödliche Risiko übernehmen. Also: Entwicklungszusammenarbeit aufstocken, sind sich Rot- und Schwarz einig. Nur - wer im Konkreten wieviel zahlen soll - ist ungewiss. Zündstoff für eine Sondersitzung des Nationalrats heute Nachmittag.

Offizieller Anlass dieser Nationalratssitzung ist, dass Bundeskanzler Werner Faymann die Abgeordneten vom Ergebnis des EU-Sondergipfels zum Thema Flüchtlinge informieren will. Im Vorfeld dieser Nationalratssitzung heute Nachmittag war ja auch damit gerechnet worden, dass die Regierung einen Plan bekannt gibt, wie und wann die staatlichen Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit erhöht werden.

Österreich hat ja vor Jahren dem UNO-Ziel von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zugestimmt, das wären gerechnet für 2015 2,4 Milliarden Euro Steuergeld, die in Projekte in aller Welt fließen sollten. Derzeit sind es aber nur 0,8 Milliarden.

Am Wochenende wurde nun ein Papier aus ÖVP-Kreisen bekannt, das den Titel "Entwicklungszusammenarbeit als Gesamtverantwortung der Bundesregierung" trägt. Darin wird festgehalten, dass vier Bundesministerien derzeit 90 Prozent der EZA-Mittel aus ihren Budgets bereitstellen, übrigens lauter ÖVP geführte, und verlangt, dass in Zukunft ALLE Ressorts mit 0,7 Prozent ihrer jeweiligen Budget mitzahlen sollten. Gemeint damit offenbar ein massiver Nachholbedarf bei den SPÖ-Ministerien. Die halten sich heute auf Nachfrage alle zurück: Man kommentiere keine geheimen Papiere. Laut Bundesministeriengesetz sei das Außenministerium zuständig, das demgemäß einen offiziellen Vorschlag zur Finanzierung der Erhöhung zu erstatten habe.

Vorsichtig abwartend zeigen sich Rot und Schwarz übrigens heute Vormittag zum jüngsten Vorschlag von Diakonie-Direktor Michael Chalupka. Der will, dass in Zukunft sogenannte humanitäre Visa ausgestellt werden. Demgemäß bekämen Zitat - besonders schutzbedürftige Asylsuchende schon von der österreichischen Botschaft in einer Gefahrenregion ein Visum ausgestellt, könnten dann gefahrlos nach Österreich und hier einen Asylantrag stellten. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, ÖVP, dazu: "Entscheidend ist vor allem, dass auch andere Mitgliedsstaaten neben Deutschland, Schweden und Österreich humanitäres resettlement machen. Und dazu braucht es eben eine Quote auf europäischer Ebene. Seit mehr als einem Jahr haben wir seitens Österreichs diesen Vorschlag eingebracht. Jetzt sind wir kurz vor dem Ziel. Zum ersten mit dem Pilotprojekt und zum zweiten mit einer Diskussion betreffend einer fixen Quotenregelung auf europäischer Ebene."

Frage Mittagsjournal-Redaktion: "Letztlich widerspricht eine Quotenregelung dem Prinzip, dass man dort, wo man zum ersten Mal seinen Fuß auf EU-Boden setzt, ein Verfahren zu bekommen." Mikl-Leitner: "Würde diese Dublin-Regelung zu 100 Prozent funktionieren, hätten wir ja gerade an den Außengrenzen die meisten Flüchtlinge. Dem ist aber nicht so, sondern wir haben sie in der Mitte Europas. Deswegen braucht es hier auch eine faire Quote. Wenn diese faire Quotenregelung besteht, können wir auf Dublin verzichten."

Mikl-Leitners SP-Verhandlungsgegenüber auf Regierungsebene in Sachen Asylwesen ist Verteidigungsminister Gerald Klug. Aus dessen Büro heißt es, alle Vorschläge sollten in die Diskussion miteinbezogen werden. Man werde einen allfälligen Entwurf des Innenministeriums prüfen.