Kurzessay zu Ezechiel 37, 1 - 14
Du bist mächtig in Ewigkeit, Herr, der die Toten lebendig macht und Treue hält denen, die im Staub schlafen (...) Getreu bist Du, die Toten wieder zu beleben. Gepriesen seist Du, der die Toten lebendig macht.“ Dreimal am Tag betet jeder fromme Jude dies im Achtzehngebet.
8. April 2017, 21:58
Im Morgengebet des Schabbat heißt es: „Er, der die Schlafenden erweckt und die Entschlafenen aufwachen lässt, den Stummen die Sprache gibt, Gefangene befreit und Strauchelnde stützt ... Dir allein sprechen wir Dank.“
Es ist ein Grundfehler des christlichen Lesens des Neuen Testaments, nur das Besondere, das unterscheidend Christliche herauszustellen. Das führt oft dazu, Jüdisches als Christliches hinzustellen. Dazu gehören das Gebot der Nächstenliebe und auch der Glaube an die Auferstehung. Pinchas Lapide, einer der großen Wegbereiter des jüdisch-christlichen Dialoges, zeigt in seinem Buch „Auferstehung. Ein jüdisches Glaubenserlebnis“ (LIT-Verlag), dass sich das Judentum vor und zur Zeit Jesu von Nazareth reichhaltig und tiefgründig mit dem Glaubenserlebnis Auferstehung befasst hat. Mit zahlreichen Texten aus der Tora, dem Talmud und dem jüdischen Fest- und Gebetsleben macht Lapide deutlich, welche Strahlkraft die uralte jüdische Hoffnung auf Auferstehung auf das junge Christentum des ersten Jahrhunderts ausübte.
So kennt die hebräische Bibel die Auferstehung Einzelner wie z. B. die Entrückung des Henoch, die Himmelfahrt des Propheten Elija oder die Auferweckungen, die Gott durch die Propheten Elija und Elischa bewirkt. Auch auf die allgemeine Auferstehung der Toten wird in der hebräischen Bibel angespielt. So ruft der Prophet Hosea seinem Volk zu: „Kommt und lasst uns umkehren zum Ewigen! Denn er hat uns zerrissen. Er wird uns auch heilen. (...) Er wird uns genesen lassen nach zwei Tagen, am dritten Tage wird er uns auferstehen heißen, und wir werden leben vor seinem Angesicht.“
Der Text, der heute in der Katholischen Kirche zur Lesung verkündigt wird, ist ebenfalls ein solcher Auferstehungstext. Der Prophet Ezechiel darf in einer drastischen und ziemlich sinnlichen Vision die nationale, geistige und leibliche Auferstehung von ganz Israel schauen. Gott verspricht in dieser Vision, sein Volk aus den Gräbern herauf zu holen und zurück in das Land Israel zu bringen. „Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig, und ich bringe euch wieder in euer Land. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin. Ich habe gesprochen, und ich führe es aus.“ Spuch des Herrn.
Für Juden ist klar: Wenn Gott der Herr über Leben und Tod ist, kann der Tod in dieser Welt kein Schlusspunkt sein. Das ist die schlichte und unumstößliche theologische Schlussfolgerung der Erfahrung eines gerechten und barmherzigen Gottes. Ebenso klar ist für die meisten in Israel zur Zeit Jesu, dass diese Macht Gottes über Leben und Tod früher oder später für alle offenbar werden muss, wenn auch verborgen und menschlich unfassbar. Die Fülle der mit diesem Gedanken damals verbundenen Auferstehungsvorstellungen – aller Menschen oder nur der Gerechten; auf Erden oder im Himmel; vormessianisch oder am Ende der Zeiten – lässt sich nicht systematisieren. Allen gemeinsam aber ist, dass die Auferstehung die durch Gott erwirkte Wiederbelebung der Toten ist. Wann, Wer, Wo bleibt offen – wie übrigens auch im Neuen Testament.
Diese Gewissheit einer künftigen Auferstehung aller und einer möglichen vorherigen Auferstehung einzelner, von Gott begnadeter Menschen, war die Vorbedingung für den Osterglauben der Jünger des Jesus von Nazareth, deren Glaubenswelt weitgehend pharisäisch geprägt war. Hierin wurzelt der Glaube, dass der geliebte Meister, den die Jünger als den Christus erkennen, auch im Tod nicht vom Gott Israels verlassen worden ist. Durch die Auferstehung des Jesus von Nazareth wiederum konnten und können Nicht-Juden in diesen Glauben an die Auferstehung hineingenommen sein. Anders als antike oder auch postmoderne Vorstellungen von Zauberei und Mirakeln rund um ein Weiterleben nach dem Tod bedeutet dies, darauf vertrauen zu dürfen, dass Gott dem Tod nicht das letzte Wort lässt und das Leben der Menschen will.