Von Wolfgang Fürweger
Verbrannte Kindheit
Der Zauberer Jackl ist eine der bekanntesten Sagengestalten Salzburgs. Anders als viele andere Sagenfiguren beruht er auf einer realen historischen Person: auf dem Bettler und Vaganten Jakob Koller. Der Journalist Wolfgang Fürweger hat Kollers Geschichte und die der Salzburger Hexenprozesse rekonstruiert und für ein breiteres Publikum aufbereitet.
8. April 2017, 21:58

UEBERREUTER
"Eine ebenso fesselnde wie bedrückende Lektüre"
Im späten 17. Jahrhundert vagabundierte Koller mit einer Bande von Straßenkindern durch das sogenannte "Erzstift Salzburg" und zog dabei - als sozialer Outsider - jede Menge Hass und Ablehnung auf sich. Die Folge: die opferreichste Serie von Hexenprozessen in der Geschichte des "Heiligen Römischen Reichs", die ausgerechnet in Salzburg stattgefunden hat.
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Wolfgang Fürweger, "Verbrannte Kindheit 1677-1679 - Die vergessenen Kinder der Hexenprozesse um den Zauberer Jackl", Ueberreuter Verlag
Wolfgang Fürweger
"Es war eigentlich keine klassische Hexenhysterie. Die klassischen Hexenhysterien haben sich meistens auf Frauen bezogen, in der Regel auf ältere Frauen, die mit Kräutern zu tun hatten. Hebammen waren zum Beispiel die klassischen Opfer solcher Hexenhysterien. In diesem Fall - und das macht ihn eigentlich zu einem singulären Ereignis in der deutschsprachigen Geschichte - ging es darum, ich formuliere es zugespitzt, eine soziale Minderheit auszurotten. Man wollte mit den Bettlern 'abfahren', wie man heute sagen würde."
Die große Salzburger Hexenverfolgungswelle dauerte von Ende 1677 bis Mitte 1679, allerdings loderten die Scheiterhaufen auf dem Gebiet des Erzstifts noch einige Jahre länger, bis 1690. An die 200 angebliche Zauberer und Hexen wurden verhaftet, 159 von ihnen fanden den Tod.
Wolfgang Fürweger
"Es gibt ganz klare Parallelen zwischen damals und heute. Damals wurde die Unterscheidung gemacht zwischen 'würdigen' und 'unwürdigen' Armen. Die 'würdigen' Armen waren Bauernmägde, die verunglückt waren, alte Leute, Waisen. Und die 'unwürdigen' Armen waren die Zugewanderten, die Ausländer - Kärntner, Steirer -, die eigentlich arbeitsfähig wären, aber nicht gearbeitet haben, aus welchen Gründen auch immer. Und damals wie heute wollte man 'die Fremden' nicht haben."
Das Buch ist ein historisches Lehrstück: über die Produktion von Sündenböcken in Zeiten wirtschaftlicher Not. Und über die Geschwindigkeit, in der aus Angehörigen sozialer Randgruppen Opfer staatlicher Tötungslust werden können. Soll niemand behaupten, das ginge uns Heutige nichts an.