ÖVP verschärft Gangart in der Integrationsdebatte
Mit Johanna Mikl-Leitner und Sebastian Kurz haben in den vergangenen Tagen zwei ÖVP-Minister mit europapolitischen und - wie Kritiker meinen - ausländerfeindlichen Aussagen für gehörigen Wirbel und für Kritik von SPÖ, Grünen und Neos gesorgt.
8. April 2017, 21:58
APA/EPA/JULIEN WARNAND
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat einen de facto-Stopp der Bearbeitung von neuen Asylanträgen angekündigt. Und Außenminister Sebastian Kurz will Familienbeihilfezahlungen an Arbeitskräfte aus Südosteuropa kürzen, wenn ihre Kinder nicht in Österreich leben. Ist all das europarechtlich möglich?
Morgenjournal, 15.6.2015
Rund 150 Millionen Euro an Familienbeihilfszahlungen hat Österreich im Vorjahr für Kinder im Ausland bezahlt, laut Integrationsminister Sebastian Kurz. Das einfach per Parlamentsbeschluss in Österreich zu ändern, wie es die Freiheitlichen wollen, geht nicht, sagt der Europarechts-Experte Walter Obwexer. Denn die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU steht in den EU-Verträgen, so Obwexer, und sie soll demnach gefördert werden. Aber verringerte Familienbeihilfe-Zahlungen an Arbeitnehmer, etwa aus Ungarn, der Slowakei oder Rumänien, deren Kinder im Heimatland leben, könnte die EU beschließen. In diese Richtung gehen die Forderungen von Großbritannien, die nun von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz unterstützt werden. Europarechtler Obwexer sieht allerdings wenig Chancen auf die nötige Mehrheit in EU-Rat und Parlament.
Thema Nummer Zwei: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat einen de facto-Stopp der Bearbeitung von neuen Asylanträgen angekündigt. Angekündigt, nicht angeordnet. Es geht laut Mikl-Leitner eigentlich um die nun vorrangige Behandlung von Abschiebe-Fällen in andere EU-Staaten. Und daher sagt Europarechtler Obwexer: „Eine bloße politische Erklärung, die nicht einmal eine Weisung ist, ist unionsrechtlich kaum zu bekämpfen.“
Denn nur tatsächlich überlange Asyl-Verfahren könnten theoretisch zu einem EU-Vertragsverletzungsverfahren führen. Übrigens: Als Hauptgrund für die Vorstöße von Kurz und Mikl-Leitner ortet der Europarechtsexperte unionsrechtliche Diskussionen über Asyl und Sozialleistungen. Die jüngsten Wahlergebnisse der Freiheitlichen seien wohl nur am Rande ein Mitauslöser gewesen.