Gespräch mit Regisseur Jonathan Teplitzky

In seiner Autobiografie "The Railway Man" berichtet Eric Lomax über den Bau der berüchtigten Todeseisenbahn von Thailand nach Burma: Unmenschliche Arbeitsbedingungen und Folter traumatisierten den jungen Mann. Der australische Regisseur Jonathan Teplitzky hat Lomax' Buch verfilmt. Im Ö1-Interview berichtet er über seine Gespräche mit Lomax und die aufreibenden Dreharbeiten im thailändischen Dschungel.

Kulturjournal, 22.6.2015

Trauma im Dschungel

Kriegstraumata und deren Aufarbeitung sind ein brisantes und leider hochaktuelles Thema. Selten hat jemand so offen über seine Erfahrungen berichtet wie Eric Lomax. Er geriet 1942 in japanische Kriegsgefangenschaft und wurde daraufhin zum Bau der berüchtigten Todeseisenbahn von Thailand nach Burma herangezogen. Unmenschliche Arbeitsbedingungen und Folter traumatisierten den jungen Mann nachhaltig.

In seiner Autobiografie "The Railway Man" berichtet er über seine drastischen Kriegserlebnisse, die Aufarbeitung seiner Traumata mit Hilfe seiner Frau und die Wiederbegegnung mit seinem japanischen Folterer. Der australische Regisseur Jonathan Teplitzky hat Eric Lomax‘ Buch jetzt mit den beiden Oscarpreisträgern Colin Firth und Nicole Kidman in den Hauptrollen verfilmt. "Die Liebe seines Lebens", so der leider unnötig verkitschte und auch irreführende deutsche Titel des Films, läuft am kommenden Freitag bei uns an.

Jonathan Teplitzky, das ist nicht Ihr erster Film, der sich um eine traumatisierte Hauptfigur dreht. Was fasziniert Sie an diesen ramponierten Charakteren?
Ich mag männliche Figuren, deren Leben plötzlich völlig auf den Kopf gestellt wird. Es interessiert mich, wie sie darauf reagieren und versuchen, mit solchen Ausnahmezuständen fertig zu werden. Wir stammen aus einer Kultur, die Männern nur eine geringe emotionale Bandbreite zugesteht. Gefühle werden immer noch als vorrangig weibliches Terrain betrachtet. Wenn Traumata an die Oberfläche brechen, dann gilt das aber nicht mehr und man kann die schlimmsten, gleichzeitig aber auch interessantesten Verhaltensweisen beobachten.

Mein voriger Film "Burning Man" hatte stark autobiografische Bezüge, weil ich damals genau wie meine Hauptfigur, den Tod meiner Partnerin verarbeiten musste. Ich fand es aber hochinteressant, welche Energien in solchen Situationen frei werden. Bei "The Railway Man" war die traumatische Erfahrung zwar eine völlig andere, Eric Lomax‘ Versuche, sich ins Leben zurück zu kämpfen, sahen aber ganz ähnlich aus.

Traumatisierte Kriegsgefangene gab es ja viele, was hat Eric Lomax für Sie so besonders gemacht?
Erstens besaß er eine ganz unglaubliche innere Stärke, denn zu überleben, was er überlebt hat, grenzt eigentlich an ein Wunder. Und trotz seines ungeheuren Leidens, das ja sein Leben bis zu einem gewissen Grad zerstört hat, fand er letztlich doch noch auf wundersame Weise aus diesem Abgrund heraus. Was die Geschichte dazu noch ganz außergewöhnlich macht, ist die Reue Nagases und das Vergeben von Lomax, die zur Aussöhnung zwischen den beiden geführt hat. Und wenn der Zuschauer diese Entwicklung beobachtet, stellt er sich natürlich die Frage, wie er in Lomax' Situation reagiert hätte.

Haben Sie Eric Lomax auch persönlich getroffen oder haben Sie sich für Ihren Film ausschließlich auf seine Autobiografie gestützt?
Wir haben Eric und seine Frau Patti viele, viele Male getroffen und konnten eine sehr enge Beziehung zu ihnen aufbauen. Leider starb Eric vor Fertigstellung des Films, aber diesen Menschen noch erleben zu können und dadurch so viele Facetten seines Lebens kennenzulernen, war für uns unglaublich wertvoll und vieles davon ist direkt in unseren Film eingeflossen.

Haben Sie die Szenen in Thailand eigentlich an Originalschauplätzen gedreht?
Die Szenen, die im Hauptquartier der Kempeitai spielten, haben wir in Thailand gedreht, abgesehen von den Innenaufnahmen, die entstanden in einem australischen Studio. Die Kempeitai war so eine Art japanischer Geheimpolizei und ihre Lager entstanden in ganz Thailand und Burma. Wir haben in Kanchanaburi gedreht, wo sich nicht nur die berühmte Brücke über den Kwai befindet, sondern auch ein Streckenabschnitt der Todeseisenbahn, der heute noch in Betrieb ist.

Wie haben Sie Colin Firth auf seine Rolle vorbereitet. Welche Tricks haben Sie angewandt, damit er das Trauma von Eric Lomax so verstörend auf die Leinwand bringen konnte?
Im Film lässt sich vieles minutiös vorbereiten, wenn es darum geht, Emotionen auf die Leinwand zu bringen, sieht die Sache aber anders aus. Da kommt es dann ganz stark auf die Tagesverfassung an. Im Vorfeld haben wir darüber gesprochen, was einen bestimmten Affekt auslöst und was dieser Affekt mit einem macht, da geht es also darum Gefühle aus ihrer Schwammigkeit herauszuholen und sie so konkret wie möglich zu umreißen.

Aber sehen Sie sich zum Beispiel die Szene an, in der Lomax seinen früheren Peiniger trifft. Da hatten wir vorher keine Ahnung, in welche Richtung die Sache gehen würde. Wir wollten aber auf keinen Fall zu viel proben und ausprobieren, weil die Emotionen unbedingt spontan hervorbrechen sollten. Da musste Colin wirklich in dunkle Seelenabgründe hinuntersteigen und das ist für den Schauspieler eine ungeheure Belastung, diese dunklen Qualen mit sich herumzutragen.

Genauso wie die Figur braucht dann auch der Schauspieler ein Ventil, um diese negative Energie loszuwerden und genau in diesem Moment des Ausbruchs muss die Kamera laufen.

Dieser Dialog zwischen Lomax und Nagase, ist das der originale Wortlaut des damaligen Gesprächs zwischen den beiden?
Uns ist es da nicht um Buchstabentreue gegangen, sondern um die Essenz der Szene. Das war auch ein zentraler Punkt in unseren Gesprächen mit Eric. Wir haben ihm von Anfang an klar gemacht, dass wir vieles auslassen oder verkürzen müssen, was aber nie ein Problem für ihn war. Für ihn kam es genauso wie für uns darauf an, das Wesentliche seiner Geschichte einzufangen.