Historiker Ian Buruma im Interview

Der vielbeachtete Autor politischer Sachbücher hält heute einen Vortrag in Wien Museum über das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Monate danach. "'45 - Die Welt am Wendepunkt" heißt sein Buch dazu. Ein Gespräch über die Situation der Frauen, Prioritäten von Präsident Roosevelt und die Folgen von Krieg.

Herr Buruma, nach dem Krieg haben sich Frauen auch mehr sexuelle Rechte herausgenommen. Sie hatten Beziehungen zu den Befreiern; oder auch zum "Feind". Die Strafen dafür setzen Sie mit einer Hexenjagd gleich.

"Frauen wurden oft die ersten Opfer von Racheakten für Kollaboration - sie wurden härter bestraft als männliche Kollaborateure, die viel Schlimmeres getan hatten, als mit Deutschen zu schlafen. … Und dort, wo Frauen mit Befreiern ins Bett gingen: Auch dort waren die eigenen Männer demoralisiert, unterernährt, oder in Gefangenschaft. Die Briten oder Amerikaner hatten Geld, sahen toll aus in ihren Uniformen, konnten Schokolade und Seidenstrümpfe schenken. Das hieß Partystimmung. Diese Frauen wurden nun nicht bestraft - und doch hatten Männer das Gefühl, dass die Dinge außer Kontrolle gerieten. Der konservative Backlash für Frauen in den 50er Jahren hatte auch damit zu tun."

Kulturjournal, 24.6.2015

Buruma hat chinesische Literatur und japanischen Film studiert. Eines seiner Bücher der letzten Jahre handelte von der Dissidentenszene Chinas. Ein weiteres schilderte den Mord an dem niederländischen Islamkritiker Theo van Gogh.

Service

Ian Buruma, "'45 - Die Welt am Wendepunkt", aus dem Englischen von Barbara Schaden, Hanser Verlag