Schamanistisches von Ernesto Neto in TBA21

Ernesto Neto ist in Europa nicht unbekannt. Seine Skulpturen und Installationen fielen schon in mehreren Ausstellungen auf. Nun ist er erstmals in Österreich zu sehen: mit einer Installation im TBA21 im Wiener Augarten, in der er sich schamanistisch-spirituellen Traditionen der indigenen Völker des Amazonas widmet.

Installation von Ernesto Neto

ORF/SABINE OPPOLZER

In einem Schamanenzelt lassen Indianer vom Stamm der Huni Kuin die Besucher an ihren Ritualen teilnehmen.

Kulturjournal, 25.6.2015

Doppelausstellung in Wien und Krems

Unbekannt ist der Brasilianische Bildhauer Ernesto Neto in Europa nicht, seine Skulpturen und Installationen fielen schon in mehreren Ausstellungen auf. Auch repräsentierte er sein Heimatland bereits 2001 auf der Venedig Biennale und wurde erst im Vorjahr für seine große Show in Bilbaos Guggenheim Museum gefeiert. Nun ist Ernesto Neto erstmals in einer Doppelausstellung in Österreich zu sehen:

Heute Abend wird in der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (TBA21) im Augarten eine neue Installation eröffnet, in der er sich schamanistisch-spirituellen Traditionen der indigenen Völker Amazonas widmet und diese mit Formen der Gegenwartskunst verwebt. In der Kunsthalle Krems wird am 19. Juli der zweite Teil eröffnet: als Personale mit Arbeiten von Erensto Neto aus den letzten 25 Jahren.

Oase zum Entspannen

Bunte große Tränen-Tropfen hängen von der Decke, der Duft von Gewürzen weht durch den Raum, barfuß geht man über flauschige Fußböden oder Schilfmatten und wird sich umgehend der eigenen Körperlichkeit bewusst. So ist das immer bei den Kunstwerken von Ernesto Neto, denn er will sein Publikum aus der hektischen Konsumwelt herausführen, hinein in ein harmonisches Universum, eine Oase, in der sich der Besucher entspannen kann und ausatmen.

Vor etwa zwei Jahren ist er zum Stamm der Huni Kuin im Amazonas Urwald gekommen und hat an ihren Ritualen teilgenommen: an ihren rituellen Gesängen, er hat mit ihnen Aiwasqua getrunken, einen halluzinogenen Pflanzensud aus der Liane Banisteriopsis caapi, den er Tee nennt. Dabei habe er großartige Erleuchtungen gehabt und sich mit der Natur und den Menschen als vollständige Einheit gefühlt.

Heilsames Aufdecken

In Südamerika wird Aiwasqua von diversen Ethnien in religiösen Zeremonien verwendet, um sich in Trancezustand zu versetzen. Der religiöse Gebrauch ist übrigens nicht nur in Brasilien rechtlich garantiert, er wurde 2006 auch in den USA legalisiert. Ernesto Neto erklärt, es seien die Pflanzen, die in den Ritualen der Huni Kuin die Lehrmeister seien und die Menschen von Krankheiten heilen könnten. Denn durch die Heilpflanzen und Halluzinogene kämen Dinge ans Tageslicht, die man am liebsten vor sich selbst verstecken würde, und das sei heilsam, denn es mache einen ganz leicht, man beginne zu fließen.

Das bräuchte Zeit, etwa fünf Stunden. Am nächsten Tag gebe es kein Hangover, da in den Lianen kaum Giftstoffe enthalten seien, man fühle sich völlig gesund. Ihn selbst hätten diese Rituale vom Alkoholismus befreit, er habe etwa 15 Kilo abgenommen. Es ginge aber nicht nur um den Konsum der Halluzinogene, man müsse hart daran arbeiten um wirklich in die Tiefe zu gelangen.

Geborgen in einer duftenden Vulva

Dabei hilft die raumgreifende Skulptur von Ernesto Neto, die einem das Gefühl gibt, geborgen in einer riesigen bunten Vulva zu sitzen. Rundherum: elastische Gewebe wie Tüll, Nylon oder Lycra, die der Künstler wie sensible Häute um die verschiedene Inhalte spannt. Meist werden die textilen Körper, Räume und Höhlen durch Ballast von der Decke nach unten abgehängt und entwickeln trotz aller Heiterkeit eine feine Melancholie.

Vielleicht liegt das an den Füllungen aus Kurkuma, Nelken, Ingwer, schwarzem Pfeffer und Kreuzkümmel, deren Geruch an die Küche der Großmutter und Mutter erinnert. Der verwendet transparente Stoff, ähnlich dem von Nylonstrümpfen, kann aber genauso dieser Assoziation die Unschuld rauben und den Geist in das Reich der geheimen erotischen Fantasien entführen. Wie auch immer: Hier ist Bildhauerei wie eine liebevolle Umarmung.

Die sinnlichen Rituale der Huni Kuin fordern Achtsamkeit und Verantwortung im Umgang mit der Natur und allen Lebewesen ein. Sie wollen der westlichen Welt ihre Kultur vorführen und auf die problematische Situation der bedrohten indigenen Völker Brasiliens hinweisen. Übrigens wird in der TBA21 kein halluzinogener Pflanzensud getrunken. Die Substanz ist in Österreich nicht erlaubt.

Service

TBA21 - Ernesto Neto und die Huni Kuin. Aru Kuxipa | Sacred Secret
Kunsthalle Krems - Ernesto Neto
Guggenheim Bilbao - Ernesto Neto