Angela Stief warnt / empfiehlt

Die Publizistin und freie Kuratorin Angela Stief hat sich Gedanken über die Ästhetik von Wiens Schaufenstern gemacht.

Neon-Schriftzug "Open"

ORF/JOSPEH SCHIMMER

Stief warnt: Vor Schaufenstermythologie

Wenn die Fassaden der Häuser die Gesichter der Stadt sind, dann sind die Schaufenster die Augen. Nur, in manche Augen schaut man lieber als in andere. Manche funkeln und strahlen vor Esprit, andere erscheinen tot und leer. Wien verdeutlicht in unzähligen seiner gläsernen Präsentationsflächen den Konservativismus der Stadt: Saisonal wechselnde, geschmäcklerische Mode auf 0815 Figurinen in den Schaufenstern der Modeketten, die vollgerammelten Auslagen des Fachwarenhandels und die überflüssigen Geschenkartikel in den Fenstern der Souvenirläden verbreiten Langweile. Sie sind urbane Abtörner, vor ihnen sei gewarnt.

Wie in den Augen könnten sich allerdings im Schaufenster als kleine Bühnen der Inszenierung neugierige Blicke treffen. Ihre Gestaltung kann einen wertvollen Beitrag zu einem lebendigen Stadtbild liefern.

Stief empfiehlt: Die kreative Gestaltung des öffentlichen Raums

Das Künstlerduo Steinbrener/Dempf machte vor einigen Jahren tabula rasa und entschriftlichte den öffentlichen Raum: Alle Erdgeschosslokale in der Neubaugasse schlossen sich diesem Projekt an. Logos und Namensschilder wurden mit gelben Folien überklebt. Das könnte man auch mit Schaufenstern tun. Warum nicht alles anders machen? So wie eine Buchhandlung im siebten Bezirk, die in ihrer Auslage Bücher nach Farben ordnet. Der Geist innen spiegelt sich im Außen.

Auch Büros können gelungene Schaufenster haben: die Künstlergruppe Wochenklausur in der Gumpendorferstraße begrünt ihre Auslage mit verschiedenen Pflanzen und bringt dadurch die schöne Architektur zur Geltung. Und last but not least sei der K. u. K. Hofzuckerbäcker Demel empfohlen. Er hat ganz ohne Kunst, die kunstvollste Auslage der Stadt. Aus Zucker und Guss fabriziert er kleine, virtuose Geschichte, die die Passanten verzaubern und gute Laune verbreiten. Was man mit etwas Liebe alles machen kann!

Service

Buchtipp:
Angela Stief, "Leigh Bowery, Verwandlungskünstler", Piet Meyer Verlag