Heimspiele - Robert Rotifer live in Concert
Er hat das Wiener Popfest mitinitiiert und drei Jahre lang kuratiert, das Musikvideo zu seinem Song "The Frankfurter Kitchen" findet sich in der Sammlung des MoMA in New York. Und seine Alben sind vor allem in seiner Wahlheimat Großbritannien, wo er seit Ende der 1990er Jahre lebt, längst mehr als nur ein Geheimtipp: Die Rede ist von Robert Rotifer, der nun in Wien und Graz gastiert.
8. April 2017, 21:58

ROBERT NEWALD
Mittagsjournal,5.8.2015
In Österreich kennt man den gebürtigen Wiener vor allem auch als versierten Musikexperten, der unter anderem für Falter oder Profil schreibt, oder für Radio FM4 in der Sendung "Heartbeat" Altes und Neues aus der Popwelt präsentiert. Am Donnerstag und am Freitag gibt es zwei seltene Heimspiele des Musikers Rotifer. Zuerst ein Auftritt im Wiener Theater am Spittelberg gemeinsam mit Bühnengästen, dann Rotifer Solo in Graz.
Es ist ein eleganter Pop, den Robert Rotifer seit gut 20 Jahren serviert, der sich über thematische Zugänge definiert, und bei dem fast jeder Song eine eigene, kleine Geschichte erzählt: Von ironisch brüchiger Selbstreflexion hin zu gesellschaftsrelevanten Themen, wie dann etwa, wenn der Wahlbrite von der neuen Armut in London singt.
Es sei ein Irrtum, dass die Popmusik im 21. Jahrhundert nichts mehr zu sagen habe, so Rotifer trocken: "Dass der Popmusik weniger Leute zuhören, dass sie weniger gesellschaftliche Relevanz hat, ist ein anderes Problem. Aber das ist keine Ausrede keine guten Songs mehr zu schreiben." Mit "The Cavalry Never Showed Up" präsentierte Rotifer 2013 sein siebtes Album unter eigenem Namen, eine kleine Pop-Perle.
"Sentimentalität in Popsongs finde ich gut"
Bei seinen Österreichkonzerten wird er mit akustischem Gerüst alte Songs präsentieren, aber auch neues, bisher unveröffentlichtes Material: wie etwa "The Piano Fabric" - eine Hommage an die ehemalige Bösendorfer-Fabrik in Wien. Rotifer ist im Gemeindebau vis-à-vis der Instrumentenschmiede aufgewachsen: "Man hat gehört, wie sie die Klaviere gestimmt haben; man hat durch das Fenster in die Werkstatt hinein gesehen. Ich hatte eine sehr emotionale Bindung zu dieser Fabrik. Vor ein paar Jahren habe ich dann gesehen, wie sie abgerissen wurde."
Sich überraschen lassen
Eigentlich ist Rotifer nur anlässlich des Popfests nach Österreich gekommen. Die beiden Konzerttermine wurden eher spontan eingeschoben: Die Band war in England, und so warf Rotifer sein gut geknüpftes Netz aus und holte sich Musiker wie Mira Lu Kovacs, Eloui oder Martin Siewerts zur Seite. Heute Abend wird das erste Mal gemeinsam geprobt. Robert Rotifer: "Die Probe wird weniger eine Probe als ein Vortasten sein. Und beim Konzert tasten wir uns dann weiter, darauf freue ich mich schon sehr. Weil das ist immer das Schönste, wenn man sich vor Publikum überrascht - einander überrascht."
"Kein musizierendes Nationalteam"
Es sind großteils Musiker aus jenem Wiener Pop-Biotop, das seit einigen Jahren mit seiner stilistischen Vielfalt und Qualität auch über die Landesgrenzen hinaus begeistern kann. Eine Blütezeit im heimischen Musikschaffen, die nicht nur vorübergehend sei, meint Rotifer, der als ehemaliger Kurator des Wiener Popfests die Szene gut kennt: "Das Schöne an dieser Popkultur ist, dass sehr viele Leute aus den verschiedensten Genres die verschiedensten Dinge miteinander machen. Und das wird sicherlich so bleiben."
Was der Pop-Chronist hingegen skeptischer sieht, ist das Heraufbeschwören eines Austro-Pop neu, wie in den vergangenen Monaten immer wieder geschehen. Alle in einen Glaskasten zu setzen, mit dem rotweißroten Stempel drauf, sei kontraproduktiv: "Man darf nicht Popmusik mit so einer Art musizierendem Nationalteam verwechseln. Das wäre glaube ich ein großes Missverständnis und auch eine Verkleinerung dieses Spektrums, das es derzeit gibt." Nach dem Zusammenspiel mit heimischen Musikern entflieht Robert Rotifer wieder in Richtung England. Dort wird in zwei Wochen ein weiteres Album veröffentlicht: an der Seite britischer Musikgrößen wie John Howard oder Andy Lewis.
Service
Im "Kulturjournal" um 17.09 Uhr gibt es ein ausführliches Interview mit Robert Rotifer.
fm4.ORF.at - Rotifer