Bilanz der Salzburger Festspiele

Mit einer halbszenischen Aufführung von Purcells "Dido und Aeneas" in der Felsenreitschule und der Wiederaufnahme von Glucks "Iphigenie en Tauride" von Cecilia Bartolis Pfingstfestspielen gestern Abend im Haus für Mozart, sind die letzten szenischen Neuheiten bei den heurigen Festspielen über die Bühnen gegangen. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen.

Die Masken aus Stein, das Symbol der Festspiele

APA/BARBARA GINDL

Mittagsjournal, 20.8.2015

Beethovens "Fidelio" und Mozarts "Figaros Hochzeit" waren wohl die beiden Pole, die den heutigen Festspielsommer bestimmten. Die Inszenierung von Claus Guth, die auch vom ORF übertragen wurde, geht sehr weit in der modernen Sicht auf die einzige Oper Beethovens und wird nach wie vor in Salzburg heftige diskutiert, während Sven Eric Bechtolfs konventionelle Interpretation des "Figaro" dazu keinen Anlass gibt.

Dieselben Pole sind im Schauspiel zu beobachten: Der misslungene "Clavigo" nach Goethe reizt die Unsitten des deutschen Regietheaters extrem aus, während Shakespeares "Komödie der Irrungen" in der komödiantischen, schauspielerbetonten Aufführung auf der Pernerinsel gefiel.

Die heurigen Festspiele lebten stark von den Wiederaufnahmen: der durchwegs gelungene "Rosenkavalier", der mit Anna Netrebko besetzte "Trovatore"; und die zwei Coups von den Pfingstfestspielen der Cecilia Bartoli - "Norma" sowie gestern Abend Glucks "Iphigenie en Tauride". Eine perfektere Aufführung, die unter die Haut geht, kann man sich gar nicht vorstellen.

Pereira hatte in vielem Recht

Die Highlights kamen heuer aber eben aus der Zeit des früheren, heftig umstrittenen Intendanten Alexander Pereira, der ja seinerseits den Festspielen die Wiederaufnahmen verweigerte. Immer Neues, um die weltweite Aufmerksamkeit zu binden, war seine Devise.

Dass der jetzige Direktor der Mailänder Scala mit vielem Recht hatte, muss man in Salzburg heute betrübt zur Kenntnis nehmen, auch was seine budgetären Forderungen betrifft. So spricht man hier des Öfteren von Sparprogramm und Interimszeit. Alle Hoffnung ist nun auf Markus Hinterhäuser, der erst 2017 seine erste Festspielsaison ausrichten wird.

Bechtolf stellt sich nicht der Kritik

Sven-Eric Bechtolf, der frühere Schauspielchef, der nur durch Pereiras vorzeitigem Abgang, zum Zug kam, hat etwas, das man Pereira nicht vorwerfen konnte: Er stellt sich nicht der Kritik, verweigert vielfach Interviews, weil er Kritiker und Journalisten nur dann wahrnimmt, wenn sie ihn loben. Bechtolf ist ja auch seines Zeichens Schauspieler, ein glänzender noch dazu. Aber in dieser Kunst sieht man ihn derzeit in Salzburg nicht.

Dass man im nächsten Jahr seine drei Inszenierungen des Da Ponte-Mozart-Zyklus sehen wird, der weit hinter Claus Guth kurz davor gezeigten gewagten Interpretationen der drei Mozart-Opern zurückbleibt, macht die Vorfreude auf die Salzburger Festspiele nicht eben größer.

Konkurrenz im In- und Ausland

Dazu kommt, dass heuer einige Festivals international dem Salzburger Sommer starke Konkurrenz machte, etwa die "Entführung aus dem Serail" durch den österreichischen Regisseur Martin Kusej in Aix-en-Provence oder eine andere in Glyndebourne. Aber auch national hat Salzburg immer stärkere Konkurrenz: ob in den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, ob im derzeit stattfindenen hochkarätigen Festival in Grafenegg - und vor allem in Bregenz, wo Elisabeth Sobotka, die neue Intendantin, ein Festival gestaltet hat, auf das alle mit großem Interesse geschaut haben.

Frage der Einzigartigkeit

Natürlich bietet Salzburg nach wie vor eine Fülle von Veranstaltungen, die ihm kein Festival weltweit so schnell nachmachen wird. Aber die Frage der Einzigartigkeit und einer irgendwie erkennbaren Festspieldramaturgie ist schon zu stellen. Warum das "Dreigroschenoper"-Musical zum Beispiel, das kaum Anhänger beim Fachpublikum gefunden hat? Auch die Konzertprogramme strahlen eher Beliebigkeit, denn Konzentration aus. Eines ist klar, Salzburg wird seinen Ruf so schnell nicht verlieren, aber anstrengen muss es sich schon ein wenig mehr.

Service

Die Bilanz der Bregenzer Festspiele ist morgen im "Mittagsjournal" zu hören. Und ein ausführliches Bilanzgespräch mit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler bringt Ö1 heute Nachmittag im "Kulturjournal" um 17.09 Uhr.