"Macht und Widerstand" von Ilija Trojanow

Ein großangelegtes Gesellschaftspanorama Bulgariens ist Ilija Trojanows neuer Roman. 15 Jahre lang habe er an seinem "Lebensbuch" geschrieben, so der Autor. "Macht und Widerstand" ist ein beklemmendes, facettenreiches Werk von suggestiver Sprachkraft, das den Leser in den Bann zieht.

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ORF/JOSEPH SCHIMMER

Morgenjournal, 21.8.2015

Ilija Trojanow zählt zu den engagiertesten und produktivsten Autoren deutscher Sprache. In den vergangenen Jahren hat er Bücher über den Islam geschrieben und über den Kampf der Kulturen, über Indien und Afrika, über Datenschutz und den Klimawandel. Jetzt hat er ein groß angelegtes Gesellschaftspanorama Bulgariens vorgelegt - Bulgarien nach dem Zusammenbruch des Sozialismus. In Bulgarien wurde der vielfach ausgezeichnete „Weltensammler“-Autor vor 50 Jahren geboren, heute lebt er in Wien.

Den Vergessenen eine Stimme geben

Ilija Trojanow war sechs, als seine Eltern anno 1971 mit ihm aus Bulgarien geflohen sind. "Jede Migrationsfamilie trägt das Herkunftsland in sich. Als ich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder zurück durfte, habe ich festgestellt, dass die Menschen, die mich am meisten beeindruckt haben – große Persönlichkeiten, die im Stalinismus im Gefängnis waren und unglaubliche Repressionen erfahren haben -, dass diese Menschen zwar noch lebendig waren, aber völlig marginalisiert."

Täter und Opfer virtuos verwoben

Ilija Trojanow gibt ihnen jetzt eine Stimme: Da ist Konstantin, ein überzeugter Anarchist, der als politisch Inhaftierter zehn Jahre im Gefängnis, im Gulag verbracht hat. Einer, der bereit war, für seine Überzeugung zu sterben. Und da ist sein Visavis: Metodi - ein Vertreter des Regimes, ein skrupelloser Opportunist und selbstgerechter Aufsteiger. Täter und Opfer - abwechselnd kommen sie in ihrem jeweils eigenen Sprachduktus zu Wort.

In einer virtuosen Komposition hat Ilija Trojanow die Biografien der beiden Männer gegeneinandergestellt und mit dokumentarischem Material, mit seitenlangen Zitaten aus Stasi-Akten verwoben. "Diese Sprache, diese merkwürdige Mischung aus bürokratischer, simulierter Genauigkeit, politischer Instrumentalisierung, diese mal grobe mal unglaublich verwinkelte Sprache der Inhumanität, die kannst du eigentlich nicht literarisch nachmachen. Sie spricht für sich."

Bis heute vertuschte Verbrechen

Aus dem Leiden anderer Literatur zu machen - das war für ihn ein großer Auftrag, erzählt Ilija Trojanow. Der Autor konzentriert sich nicht allein auf detaillierte Schilderungen der Schrecken und der Grausamkeit des Regimes. Vielmehr leuchtet er auch die Hintergründe der Verbrechen aus und wie sie von der herrschenden Schicht bis heute vertuscht werden. "Macht und Widerstand" das ist ein beklemmendes, ein facettenreiches Panorama von suggestiver Sprachkraft, das den Leser in den Bann zieht.

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Ilija Trojanow, "Macht und Widerstand", S. Fischer