von Andre Comte-Sponville
Sex – Eine kleine Philosophie
Über kaum etwas schreiben die Philosophen ausdauernder, tiefgründiger, leidenschaftlicher als über des Menschen Endlichkeit, unser aller "Sein zum Tode". In Sachen Lust sind die Meisterdenker, zumindest der abendländischen Philosophie, deutlich zurückhaltender. Andre Comte-Sponville spürt dem Eros in der Philosophie nach.
8. April 2017, 21:58
Kontext, 28.8.2015
Andre Comte-Sponville weist in seiner "Kleinen Philosophie" des Sexus darauf hin, dass eine qualifizierte Mehrheit der Philosophen den Eros in Bausch und Bogen abgelehnt hat, Plato sowieso, der Leibverächter Augustinus und der radikale Daseinsverächter Schopenhauer ebenfalls.
Aber auch so diesseitsfromme Denker wie Epikur und Spinoza haben sich eher reserviert über die Freuden des Erotischen geäußert. Sexualverkehr sei "zu nichts gut", mäkelte Epikur, und wenn man ihn schon glaube praktizieren zu müssen, müsse man bereits zufrieden sein, "wenn er nicht schade".
Lust als Skandal
Die Fähigkeit, Lust zu schenken und Lust zu empfangen, war die ganze bekannte Menschheitsgeschichte hindurch von Tabus und Verboten umgeben, vor allem, aber nicht nur von religiösen Tabus. Dem Sexus haftet seit je etwas Skandalöses an, konstatiert Comte-Sponville.
Zitat
„Es ist, als wäre das Geschlecht von Natur aus obszön, oder vielmehr, als wäre es trotz seiner extremen Banalität dasjenige Element der Natur, das die Kultur nie ganz akzeptieren, integrieren, reduzieren kann, ein Übermaß an Abgrund, das Schwarze Loch der Begierde oder des Lebens.“
Was ist nun das Skandalöse am Fleischlichen? Warum tut sich auch ein sonst so aufgeklärter Denker wie Kant so schwer mit dem, was er, ein erotisch zeitlebens Unberührter, „viehische Beiwohnung“ nennt? Es ist eine narzisstische Kränkung, die uns der Akt des Koitus stets von Neuem vor Augen führt, meint André Comte-Sponville. Und worin besteht nun die skandalöse Einsicht, zu der uns der Geschlechtsakt angeblich zwingt.
Comte-Sponvilles Buch ist auch ein Parforceritt durch die Philosophiegeschichte: Außer Plato, Montaigne, Spinoza, Kant, und Feuerbach – ein Hymniker des Erotischen – kommen auch Nietzsche, Darwin, Freud und die Libertins der französischen Schule zu Wort: Sartre und Bataille vor allem. Eine deutlich antireligiöse Stossrichtung ist nicht zu überlesen in dem 170 Seiten schmalen Büchlein.
Amüsantes fürs Nachtkästchen
Man sagt, die Mehrzahl der Männer sei, um mit einer Frau zu schlafen, zu allem bereit, sogar sie zu lieben. Und die Frauen seien, um zu lieben und geliebt zu werden, zu allem bereit, sogar mit einem Mann zu schlafen. Vielleicht ist da etwas dran.
In seiner amüsanten philosophischen Plauderei spricht Andre Comte-Sponville – ein Richard David Precht a la francaise - die unterschiedlichsten Aspekte des Themas an. Seine "Kleine Philosophie" des Sex ist eine ebenso anregende wie charmante Lektüre. Wenn je ein Buch fürs Nachtkästchen geeignet war, dann dieses.
Service
Andre Comte-Sponville, "Sex: Eine kleine Philosophie", Diogenes