Parallel Vienna in der Alten Post

Heute Abend startet die Parallel Vienna, die alternative Messe für zeitgenössische Kunst. Gezeigt werden Arbeiten namhafter und junger Künstlerinnen und Künstler, die trotz hoher Qualität oft abseits des etablierten Kunstmarktes stehen.

Wie immer dient eine leerstehende Immobilie als Schauplatz, diesmal die Alte Post in der Dominikanerbastei, wo auf rund 7000m² Ausstellungs- und Präsentationsflächen der etwas anderen Art geschaffen wurde.

Kulturjournal, 22.9.2015

Am Donnerstag beginnt in der Wiener Marxhalle die internationale Kunstmesse viennacontemporary - veranstaltet wird sie vom ehemaligen Team der Viennafair, am neuen Standort unter neuem Namen und zu einem früheren Zeitpunkt als in den letzten Jahren. Schon heute Abend startet in der Innenstadt die Parallel Vienna. Der Name ist Programm: Die alternative Messe für zeitgenössische Kunst will parallel zur institutionellen Verkaufsmesse andere Perspektiven auf zeitgenössisches Kunstschaffen eröffnen.

Noch wird gehämmert und gebohrt, und während die letzten Galeristen und Künstler mit der Hängung beschäftigt sind, führt Stefan Bidner durch die großzügigen Räumlichkeiten des ehemaligen Post- und Telegraphenamtes, das trotz der vielen Abnutzungserscheinungen eine gewisse Eleganz versprüht. Er hat die Messe 2013 gegründet, aus einer Notwendigkeit heraus, wie er sagt.

Service

Parallel Vienna

Gut etabliert & neu zu entdecken

Auch im dritten Jahr ist Bidner dem Prinzip des Nebeneinanders von gut etablierten und neu zu entdeckenden Positionen treu geblieben. Da finden sich Werke von Erwin Wurm, Heimo Zobernig oder Hans Weigand neben Arbeiten junger Künstler wie Christian Rosa, Alex Wuttner oder Katharina Olschbaur. Das Interesse der Künstler sei mittlerweile so groß, dass man heuer erstmals keinen Open Call veranstaltet habe, sondern ein eigenes Kuratorenteam Einladungen an Künstler, Kuratoren, Project Spaces und Galerien vergab, um die hohe Qualität der Arbeiten zu gewährleisten.

Gleich geblieben hingegen ist das Konzept, die Beschaffenheit des Raumes als gegeben hinzunehmen und bestmöglich zu nutzen. Die Wände sind ergraut oder mit Kaffeeflecken übersät, an vielen Stellen haben abmontierte Möbel ihre Spuren hinterlassen. Mitten in diesem schmuddeligen Charme stehen oder hängen die Skulpturen und Bilder.

Kokettieren mit den räumlichen Gegebenheiten

Manche der Arbeiten wurden eigens für die Räume geschaffen. Etwa im ersten Stock, wo in jedem der ehemaligen Büros und Sitzungszimmer eine Galerie eingezogen ist. Emanuel Leyr etwa hat den in Wien lebenden dänischen Künstler Marts Vestrub hierhergebracht, der hier nicht nur seine Kunstwerke präsentiert, sondern gleich einmal ordentlich Hand angelegt hat. Beispielsweise verwandelte er aus der Wand ragende Steckdosen in Miniaturskulpturen oder kittete Risse in der Mauer mit einem divergierenden Weißton, um so eine feine Zeichnung zu fabrizieren.

Emanuel Leyr ist wie die Galerie Krinzinger oder die Gabriele Senn Galerie auch bei der Vienna Contemporary vertreten. Dort mit Messestand im white cube Format, hier mit Löchern oder Rissen in den Wänden. Der Künstler Andreas Reiter Raabe betreibt den Jesso Art Space im 21. Bezirk. Auch sein temporärer Ausstellungsraum ist ein interagieren und kokettieren der Kunstwerke mit den teils desolaten räumlichen Gegebenheiten.

Im zweiten Stock präsentieren Einzelkünstlerinnen und -künstler ihre Arbeiten. Hier hat Judith Rohrmoser einen kleinen, mit Spannteppich ausgelegten Raum bezogen, wo sie ihre Serie kleinformatiger Leinwandbilder platziert - ein nackter Frauenkörper, der vor jeweils unterschiedlichen abstrakten Kunstwerken hockt, Titel: "Arbeitsloses Aktmodell". An der "Parallel Vienna" schätzt sie vor allem die Freiheiten im Gegensatz zu herkömmlichen Messe-Situationen: "Wenn ich Lust habe, kann ich hier zum Beispiel auch noch alle Wände beschmieren."

Sonderschau großformatiger Arbeiten

Neben diesen kleinen, fast privaten Schauräumen, wartet die Messe im ersten Stock mit einer Sonderschau großformatiger Arbeiten auf 500 m² auf, es erscheint fast wie in einem der Gänge des Louvre.

Derzeit liegt der Fokus der Veranstaltung noch auf Wien und Österreich, die Zahl der internationalen Beiträge soll aber in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen. Aktuell jedenfalls bietet die Parallel Vienna noch bis Sonntag einen interessanten und aufschlussreichen Einblick in neue Strömungen der - vor allem heimischen - zeitgenössischen Kunstszene.