Durchgriffsrecht wird beschlossen

Das Durchgriffsrecht des Bundes zur Unterbringung von Flüchtlingen wird heute im Nationalrat beschlossen. Der Bundesrat wird es am Freitag durchwinken, damit das Verfassungsgesetz planmäßig am 1. Oktober in Kraft treten kann.

Morgenjournal, 23.9.2015

Ab 1. Oktober

Das kleine Österreich hat bei der Verteilung von Flüchtlingen dieselben Probleme wie die EU; auch hierzulande gibt es Streit um Quoten und Unterbringung. Die Regierung hat sich deshalb im Sommer, noch vor dem großen Flüchtlings-Andrang an Österreichs Grenzen, zu einem Durchgriffsrecht des Bundes durchgerungen, damit dringend notwendige Unterkünfte für Asylwerber in den Gemeinden geschaffen werden können.

Dieses Durchgriffsrecht wird heute im Nationalrat beschlossen. Der Bundesrat wird es am Freitag durchwinken, damit das Verfassungsgesetz planmäßig am 1. Oktober in Kraft treten kann. In letzter Minute hat jetzt der Gemeindebund interveniert und vor einer Kriminalisierung der Bürgermeister gewarnt. SPÖ, ÖVP und Grüne präzisieren jetzt mit einem Abänderungsantrag, der Kern der Vorlage bleibt unberührt.

Keine Strafen für Bürgermeister

Flüchtlingsquartiere auf bundeseigenem oder vom Bund angemietetem Grund - ohne groß bei der jeweiligen Gemeinde um Erlaubnis zu fragen. Das geht ab 1. Oktober. Der Bund gibt sich mit einer von SPÖ, ÖVP und Grünen getragenen Zweidrittelmehrheit ein Durchgriffsrecht. Das kommt dann zum Tragen, wenn Land und Bezirk ihre Unterbringungspflichten nicht erfüllen. Und auch der Gemeinderichtwert von 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung nicht eingehalten wird.

So viele Plätze für Flüchtlinge hat jede Gemeinde bereitzuhalten, so steht es im Gesetz. Daraus eine Soll-Bestimmung zu machen, wie das der Gemeindebund gefordert hat, das spielt es nicht. Die Grüne Klubchefin Eva Glawischnig, es müsse kein Bürgermeister mit einem Strafverfahren rechnen.

Die Präzisierungen kommen über einen Abänderungsantrag, die Entwarnung für die Bürgermeister steht in den Erläuterungen. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder: Bürgermeister würden nicht haften, seien aber verpflichtet mitzuwirken, Flüchtlinge österreichweit fair unterzubringen.

Ins Gesetz selbst kommt hinein, dass Flüchtlinge, die in Einrichtungen von Bund oder Ländern untergebracht sind, in den betreffenden Gemeinderichtwert eingerechnet werden. Da geht es um den Artikel 2 des Verfassungsgesetzes, den Gemeindebundpräsident Mödlhammer speziell kritisiert hat. Sein Parteifreund ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka beruhigt: diese befristete Notmaßnahme soll der Innenministerin die Möglichkeit geben, Quartiere zu errichten. Aber es sei kein Zwang für eine Gemeinde, selbst Quartiere zu schaffen.

Auch das hatte der Gemeindebund befürchtet. Als weiterer Schritt zur Vertrauensbildung kommt auch eine Informationspflicht des Bundes gegenüber Bezirk und Gemeinde mindestens eine Woche vor der Unterbringung ins Gesetz. Und eine Präzisierung, dass sich an der Widmung von Grundstücken durch eine vorübergehende Nutzung für Flüchtlingsquartiere nichts ändert.

In der Nationalratsdebatte wird es heute auch um die Behauptung der Freiheitlichen gehen, dass durch dieses Verfassungsgesetz Zustände wie in Traiskirchen in jede Gemeinde getragen werden könnten. Frei erfunden, sagt dazu etwa Grünen-Chefin Glawischnig. Auf einem Grundstück dürfen laut Gesetz maximal 450 Flüchtlinge untergebracht werden, dazu müsste die Gemeinde aber schon 30.000 Einwohner haben - und dort wäre die Quote dann erfüllt. Für Kleingemeinden gelten viel niedrigere Quoten: zum Beispiel 15 Flüchtlinge auf 1.000 Einwohner, 30 auf 2.000.