Deutscher Buchpreis an Frank Witzel
Die Frankfurter Buchmesse hat mit der Vergabe des Deutschen Buchpreises in der Höhe von 37.500 Euro gestern Abend eröffnet. Als bester deutschsprachiger Roman des Jahres wurde ein Roman ausgezeichnet, der schon im Titel epische Breite signalisiert: "Die Erfindung der Roten Armeefraktion durch einen manisch depressiven Teenager im Sommer 1969" von Frank Witzel.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 13.10.2015
Aus Frankfurt,
Service
Frank Witzel, "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969", Matthes & Seitz
Ein ausführliches Interview mit Frank Witzel hören Sie im "Kulturjournal" um 17.09 Uhr.
Spannend war es wieder bis zuletzt - erst bei der Preisverleihung wird in Oscar-Manier der Sieger, die Siegerin bekanntgegeben. Frank Witzel heißt der Buchpreis-Träger 2015. Erste Herausforderung für den preisverkündenden Börsenvereinsvorsteher - der Titel: "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969".
Jurybegründung
"Frank Witzels Werk ist ein im besten Sinne maßloses Romankonstrukt", begründete die Jury ihre Entscheidung. In seiner Mischung aus "Wahn und Witz, formalem Wagemut und zeitgeschichtlicher Panoramatik" sei der Roman einzigartig in der deutschsprachigen Literatur. "Mit dem Deutschen Buchpreis wird ein genialisches Sprachkunstwerk ausgezeichnet, das ein großer Steinbruch ist, ein hybrides Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia."
"Geglückt oder verrannt?"
Es war eine überraschende Jury-Entscheidung, als aussichtsreichste Kandidatin hatte Jenny Erpenbeck mit ihrem Roman "Gehen, ging, gegangen" zum Thema Flüchtlinge gegolten. Und der 60-jährige Frank Witzel hatte vor seiner Shortlist-Nominierung wohl nur eine kleine Fangemeinde - als Musiker, Illustrator und Autor, der bis dato nur in kleinen Verlagen publiziert hat. Und jetzt der große Wurf: ein 800-Seiten-Roman und Frank Witzel auf der Buchpreis-Bühne: "Als ich den Roman fertiggestellt hab, wusste ich selbst nicht, ob mir da etwas geglückt war, oder ob ich mich völlig verrannt hatte", so der Autor.
Perspektive eines 13-Jährigen
In seinem Opus Magnum erzählt Frank Witzel vom Deutschland der späten 1960er Jahre aus der Perspektive eines 13-Jährigen. Eine Jugend-Clique, die sich "Rote Armee-Fraktion" nennt, Andreas Bader und Gudrun Ensslin als Ritter- und Indianer-Plastikfiguren, Jimi Hendrix, Karl Marx und Adorno in der erzkatholischen hessischen Provinz. "Ich wollte mich mit dieser Zeit und mit diesem Aufwachsen beschäftigen", erklärt Frank Witzel im Interview nach der Preisverleihung. Dazu habe er immer mehr Texte gesammelt und versucht, sich in einen Jugendlichen mit "einem ganz anderen Begriff von Realität" zurückzuversetzen.
Patchwork von Geschichten und Themen
"Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" ist ein Epochenroman aus Erzählfragmenten, Essayistischem, Gesprächsprotokollen und philosophischen Betrachtungen, ohne konventionelle Chronologie, ein Patchwork von Geschichten und Themen. Kurz: "ein Kompendium aus Pop, Politik und Paranoia", wie die Jury meinte, ein "genialisches Sprachkunstwerk". 15 Jahre hat Frank Witzel daran gearbeitet. Jetzt steht er vor großem Publikum.
Von 137 Verlagen abgelehnt
Übrigens: 137 Verlage hatten das Manuskript abgelehnt, der kleine Berliner Verlag Matthes & Seitz hat sich schließlich an das Projekt gewagt. Jetzt heißt es nachdrucken.
Mehr dazu in
ORF.at - Roman aus "Wahn und Witz"