Gespräch mit Sigrid Löffler

"Adieu Paris" von Daniel Anselme

Als der französische Journalist und Autor Daniel Anselme im Jahr 1957 seinen ersten Roman "La Permission" herausbrachte, wurde dieses Debüt in Frankreich so gut wie nicht beachtet. Der Grund dafür war eine kollektive Verdrängung in der französischen Gesellschaft: Der Roman erzählte indirekt vom Algerienkrieg, der nach offizieller französischer Sprachregelung gar kein Krieg war.

Tatsächlich dauerte die Tabuisierung des Algerienkrieges noch jahrzehntelang an, bis eine allmähliche Aufarbeitung in Frankreich erst ab den 1990er Jahren einsetzte. Anselme und sein Werk wurden jahrzehntelang vergessen. Nun liegt der Roman unter dem Titel "Adieu Paris" erstmals in deutscher Übersetzung vor.

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Daniel Anselme, "Adieu Paris", Roman, aus dem Französischen von Julia Schoch, Arche Verlag
Originaltitel: "La Permission"

Daniel Anselme (1927 bis 1989), der Sohn eines Russen und einer Holländerin, hieß eigentlich Daniel Rabinovitch, behielt aber den Decknamen, den er als blutjunger Résistance-Kämpfer im französischen Widerstand gegen die Deutschen angenommen hatte. Er trat der Kommunistischen Partei bei, wandte sich aber später enttäuscht von ihr ab. Er kritisierte offen den Kolonialkrieg der Franzosen in Algerien, arbeitete für diverse linke Zeitschriften, gründete selbst eine ("Cahiers de Mai") und war einer der Initiatoren von Radio Solidarité, einer freien Radiostation in Paris.

Die Wiederentdeckung des verschollenen Werkes verdankt sich der Potsdamer Autorin und Übersetzerin Julia Schoch, die bereits andere zu Unrecht vergessene französische Romane aus der Versenkung geholt hat, etwa "Hôtel du Nord" von Eugène Dabit oder "Der Viehwaggon" und "Haut und Knochen" von Georges Hyvernaud.

In "Adieu Paris" erzählt Anselme von drei jungen Soldaten - Lachaume, im Zivilberuf ein Lehrer, Valette, ein Elektriker, und Lasteyrie, ein Pariser Schnösel und Frauenheld -, die zu Jahresende 1956 aus Algerien auf einen zehntägigen Heimaturlaub nach Paris kommen, wild entschlossen, mal kräftig auf den Putz zu hauen. Doch das Über-die-Stränge-Schlagen will nicht recht gelingen: Zu schwer liegt den drei jungen Männern der Krieg von drüben auf der Seele, über den sie nicht sprechen, den sie aber auch nicht vergessen können.