Joseph Cornells Wunderwelten im KHM Wien

Das Kunsthistorischen Museum in Wien (KHM) präsentiert ab heute Abend "Joseph Cornell: Fernweh". Es ist die erste Ausstellung dieses sehr eigenwilligen, 1972 verstorbenen US-amerikanischen Künstlers in Österreich, dessen Werke selten zu sehen sind.

Kulturjournal, 19.10.2015

Generaldirektorin Sabine Haag und Kurator Jasper Sharp sehen durchaus Analogien zwischen dem Werk Joseph Cornells (1903-1972) und der Kunstkammer des KHM. Und so eigenwillig Cornells Werke sind, so seltsam war der 1972 Verstorbene auch in seiner Lebensweise: Er hat das New Yorker Elternhaus nie verlassen, nach dem frühen Tod des Vaters musste er die Familie als Vertreter von Stoffmustern ernähren. Erst mit 27 begann er künstlerisch zu arbeiten - des Nachts auf dem Küchentisch; später bezog er im Keller des Hauses sein Atelier. Zeit seines Lebens ernährte er sich ausschließlich von Süßigkeiten.

Er reiste so gut wie nie, kannte die großen europäischen Städte nur von Erzählungen, Bildern, Postkarten oder aus Büchern - was ihn daran nicht hinderte, darüber zu philosophieren: Etwa mit Marcel Duchamp, den er 1933 kennengelernt hatte, als Duchamp eine Brancusi-Ausstellung in New York kuratierte. Joseph Cornell, der äußerst schüchtern war, begann auf seinen Wegen durch Manhattan in den unterschiedlichsten Geschäften oder auf Flohmärkten zu sammeln: banale Objekte wie Postkarten oder Reiseführer. Aus diesen Materialien fertigte er Collagen, die an surrealistische Werke erinnerten, und Spiele mit Objets trouvés - gefundenen, fertigen Objekten.

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KHM - Joseph Cornell: Fernweh
Joseph Cornell

In den 1930er Jahren begann er seine berühmten "Boxes" zu bauen: Schaukästchen mit Objekten wie Glasperlen, kleinen Figuren, Muscheln, Fotografien, Collagen mit Zeichnungen und Ähnlichem. Schon sehr früh stellte Josef Cornell, der ein purer Autodidakt war, aus. Er wurde von den besten Galerien vertreten - wie Peggy Guggenheim oder Leo Castelli; schon bald hatte er Erfolg, konnte aber erst in den 1950er Jahren von seiner Kunst leben.

Berühmte Künstler wie Jasper Johns oder Robert Rauschenberg kauften seine Kunst. Zu seinen Fans gehören auch der Filmemacher Wes Anderson, der sich für seine Set-Dekorationen immer wieder von Cornells Universum inspirieren lässt: etwa die Box "Palace" für "The Grand Budapest Hotel". Anderson hat sich in Wien angesagt, ebenso wie Nobelpreisträger Orhan Pamuk, der am 15. Dezember über Cornell sprechen wird.

Cornell war auch ein begabter Filmemacher - er hat zB. mit dem Independent-Filmer Stan Brakhage gearbeitet. Am 11. und 12. November gibt es zwei Filmabende im Filmmuseum - dank der Sammlertätigkeit von Peter Kubelka in den 1960er Jahren besitzt das Österreichische Filmmuseum als einzige Institution des Landes Werke von Josef Cornell.

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