von Lothar Bodingbauer

Wort der Woche "Mauer"

Mauer. Das Wort kommt aus dem indogermanischen, es bedeutet „befestigt“. Während die Germanen damit noch lehmverschmierte Wände meinten, waren es die Römer, die den befestigten Steinbau populär machten. Ein Teil davon ist der Hadrians-Wall, eine viereinhalb Meter hohe Steinmauer, mit der die unkontrollierte Einwanderung schottischer und irischer Stämme auf das Gebiet der Provinz Britannia verhindert werden sollte. Aber: die Unberwindbarkeit der Mauer war es nicht, die das zustandebrachte.

Johannes Preiser-Kapeller

"Der Limes, zu dem etwa der Hadrianswall gehört, wurde ursprünglich nicht errichtet, um sich abzuschotten, sondern um Raum zu organisieren und Raum zu kontrollieren."

Mehr Weg als Barriere

Der römische Limes war in weiten Teilen ein Weg und kein unüberwindbares Hindernis, sagt Johannes Preiser-Kapeller, Historiker an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das sei auch bei der chinesischen Mauer so, die eigentlich aus mehreren Mauern besteht: "es gibt sie seit 2500 Jahren und sie haben immer auch den Aspekt, dass man hier ausgreift. Die funktionieren nur dann, wenn ich versuche, mich aktiv in den Raum jenseits der Mauer einzumischen, zu organisieren, Kontrolle auszuüben."

Kein Ersatz für Diplomatie und Politik

Wenn die Imperien militärisch bedroht wurden, funktionierten die großen Mauern dann auch nicht gegen andrängende Völker, erklärt Preiser-Kapeller. Um mit Feinden zu einem Arrangement zu kommen seien andere politische Instrumente nötig. Das zeige das Beispiel China: "Auch da ist es ja nicht möglich, Mongolen und andere nomadische Verbände dauerhaft draussen zu halten."

Ein Wall als Symbol

Die Mauer als psychologisches Zeichen, als Abschreckung und Gebärde ist für Preiser-Kapeller auch daran ersichtlich, dass "Befestigungen oft eine Schauseite bekommen um zu symbolisieren, wer hier tatsächlich zivilisatorisch an der Spitze steht." Ein Beispiel dafür seien die Stadtmauern von Konstantinopel: "Da gibt es prachtvolle Stadttore. Verteidigungstechnisch wäre das nicht notwendig. Aber es geht hier darum, Macht zu symbolisieren und den Stand und die Größe derer anzuzeigen, die diese Mauern errichtet haben."

Am Limes

"Beiderseits der Mauer werden Gesellschaften verändert."

Zwei Seiten einer Mauer

Mauern und Grenzen als historische Erfolgsgeschichte? Durchaus. Sie können auf beiden Seiten positive Auswirkungen haben, sagt Johannes Preiser-Kapeller. Als Beispiel nennt er den Limes am Rhein, wo sich während der Römerzeit eine neue Städtelandschaft etabliert habe: "Da werden beiderseits der Mauern Gesellschaften verändert. Es kommt zu einer Romanisierung beiderseits der Mauer." Aber ach unerwartete Effekte brachte der Limes, so Preiser Kapeller: "Die germanischen Verbände, die ab dem 3. Jahrhundert Rom im stärkeren Maße bedrohen, entstehen erst am Limes", so Preiser Kapeller. Durch den Einfluss der römischen Politik bat sich Gelegenheit, sich zu größeren Gruppen zu formieren: "weil der römische Kaiser versucht, Anführer auf der anderen Seite der Grenze stärker herauszuheben, um hier Ansprechpartner zu haben."