Thema Flüchtlinge im polnischen Wahlkampf

In Polen steht bei den Parlamentswahlen am Sonntag ein Rechtsruck zur nationalkonservativen PiS, die Partei Recht und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski bevor. Auch wenn bis jetzt noch kein einziger syrischer Kriegsflüchtling in Polen angekommen ist, gibt es Hasstiraden von Politikern und in der Presse.

Mittagsjournal, 22.10.2015

Aus Warschau,

Am Sonntag finden in Polen Parlamentswahlen statt und es sieht ganz danach aus, dass die nationalkonservative PiS, die Partei Recht und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski als stärkste Kraft daraus hervorgehen wird. Eines der großen Themen im Wahlkampf ist auch dort die Flüchtlingsfrage: Polen hat sich lange gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gewehrt, letztlich dann aber in Brüssel doch zugesagt in den kommenden Jahren 9.000 zu übernehmen. Doch auch wenn bis jetzt kein syrischer Kriegsflüchtling in Polen angekommen ist, erhitzt das Thema die Gemüter gewaltig: da gibt es Hasstiraden von Politikern und in der Presse, aber auch kleine Initiativen, dieser verbreiteten Ablehnung der Flüchtlinge etwas entgegenzusetzen.

Ein kleines Café in einem Hinterhof im Zentrum von Warschau: man würde es nicht auf Anhieb vermuten, aber dieses smarte Szenelokal hier ist ein Zentrum für Flüchtlingshilfe. Michal ist einer der Initiatoren der Aktion: Einige von uns waren in Budapest und haben gesehen, was sich dort auf dem Bahnhof abspielt. Wir wollten dann hier etwas machen, informieren, etwas für die Menschlichkeit tun. Und so werden hier Schlafsäcke gesammelt, in Privatautos werden sie nach Berlin gebracht. Denn in Polen selbst gibt es ja keine Flüchtlinge.

Die polnische Regierung hat sich lange geweigert, Kriegsflüchtlinge aus Syrien oder dem Irak aufzunehmen. Ihr Argument: wir haben so viele Menschen aus der Ukraine, um die wir uns kümmern müssen. Es sind dies aber vor allem Arbeitsmigranten, Flüchtlingsstatus haben vielleicht gerade mal 3 Ukrainer erhalten, sagt Ludmilla Sokalska vom Ukrainski Swiat, einer Anlaufstelle für Ukrainer in Warschau: Wir kümmern uns hier in den Zentrum um ihre Probleme, helfen bei der Wohnungssuche, bieten Sprachkurse an.

Ludmilla selbst stammt aus Kiew und lebt seit 2 Jahren hier in Warschau. Das Ukrainische Zentrum hier wurde während der Maidan-Bewegung gegründet, auf Basis privater Spenden. Seit im Donbass gekämpft wird, ist die Zahl der Ukrainer, die nach Polen kommen, stark gestiegen.

Schätzungsweise 50.000 oder gar mehr sollen es sein: Die Hilfsbereitschaft uns gegenüber war anfangs sehr groß. Wir Ukrainer sind kulturell und religiös den Polen ja sehr nahe. Wir sind immer auf viel Sympathie hier gestoßen. Das hat sich aber mit dem Wahlkampf und der Debatte um die syrischen Flüchtlinge geändert: vor kurzem wurde unser Zentrum von Hooligans angegriffen.
Sie fürchtet, sagt Ludmilla, dass nun mit den syrischen Flüchtlingen, die ab nächstem Jahr nach Polen kommen sollen, sich die Situation für die Ukrainer verschlechtert: wir werden dann alle in einen Topf geworfen, wir sind alle dann nur mehr die Flüchtlinge, die man nicht haben will.

Die polnische Gesellschaft ist eine extrem homogene Gesellschaft, erklärt der Soziologe Janusz Czapinski, diese Ablehnung der fremden. Wir leben hier ohne Minderheiten, ganz in der eigenen Tradition und Religion, dem Katholizismus, verhaftet. Dass gleichzeitig viele Polen selbst emigrieren oder emigriert sind, also in die Fremde gehen, sei kein Widerspruch, sagt Czapinski. Klassische Emigrationsländer gehen meist schlecht mit Immigration um: Die, die weggehen, sind vielleicht auch wirklich aufgeschlossener, aber sie sind weg und für die, die hier bleiben, gibt es keinen Grund, sich auf das Fremde einzustellen, sich zu öffnen.

Vor diesem Hintergrund lasse sich gut Angstpolitik machen, wie der derzeitige Wahlkampf zeigt, meint Janusz Czapinski. Da spielt es auch keine Rolle, dass es derzeit ja gar keine Flüchtlinge in Polen gibt: Meiner Meinung nach ist das Thema Flüchtlinge künstlich hochgespielt in diesem Wahlkampf. Die paar Tausend, die wir, wie mit Brüssel vereinbart, in den nächsten Jahren aufnehmen werden, sind ja nichts für ein Land mit fast 40 Millionen Einwohnern. Aber das ist ein Spiel der PiS, der Partei von Kaczynski. Kaczynski spielt mit der Angst, mit der Angst vor dem Islam, und alle anderen Parteien reagieren und machen da mit.

Besonders eine Aussage von Jaroslaw Kaczynski hat vor kurzem da für große Aufregung gesorgt: da hat er die Flüchtlinge als Träger von Parasiten bezeichnet, die Seuchen ins Land bringen. So laut der Aufschrei dagegen auch war, Kaczynski dürfte es nicht geschadet haben: seine Partei, die PiS liegt weiterhin in allen Umfragen weite vorne.