Polen vor Rechtsruck?

Am Sonntag finden in Polen Parlamentswahlen statt. Und die Umfragen sprechen von einem Machtwechsel: der seit 8 Jahren regierenden liberalen Bürgerplattform unter Premierministerin Ewa Kopacz wird eine Niederlage vorausgesagt. Die nationalkonservative Opposition, die Partei Recht und Gerechtigkeit von Jaroslaw Kaczynski, soll stimmenstärkste Partei werden. Dafür hat Kaczynski eine Frau ins Rennen geschickt: die bis vor kurzem noch unbekannte Lokalpolitikerin Beata Szydlo. Am Abend fand im polnischen Fernsehen das große TV-Duell zwischen den beiden Frauen statt.

Morgenjournal, 20.10.2015

Aus Warschau,

Punkt 20h wird das Duell der Spitzenkandidatinnen eingeläutet: Premierministerin Ewa Kopacz gegen ihre Herausforderin Beata Szydlo. Zwei Frauen, die auf den ersten Blick einander zumindest äußerlich nicht unähnlich sind, beide brünett, kurzhaarig und mit etwas über 50 Jahren auch fast gleich alt. Aber ideologisch trennen die beiden Politikerinnen doch einige Welten:

Hier Beata Szydlo aus dem erzkonservativen Kaczynski-Lager, die auf nationale und katholische Werte pocht und eine Politik nach dem Motto „Polen Zuerst“ vertritt, auf der anderen Seite: Ewa Kopacz, pragmatische Premierministerin, die in der Tradition von Donald Tusk einen wirtschaftsliberalen Kurs, ein weltoffenes Polen vertritt.

Kopacz regierende Bürgerplattform hat denn auch einiges an Erfolg vorzuweisen: Wirtschaftswachstum während andere Länder hart mit der Krise zu kämpfen haben, Modernisierung des Landes und nicht zuletzt die breite internationale Anerkennung für Polen als verlässlicher Partner in der Europäischen Union.
Normalerweise lassen sich mit solchen Resultaten Wahlen gewinnen. Doch danach sieht es nicht aus, im Gegenteil:

Alle Umfragen sagen der regierenden Bürgerplattform eine Niederlage voraus. Dabei hängt das weniger mit dem besonderen Können oder Charisma der Herausforderin Beata Szydlo zusammen, als vielmehr damit, dass die Regierung einfach schon zu lange an der Macht ist, sagt Adam Krzeminski, renommierter Journalist der führenden polnischen Wochenzeitung Polityka. Außerdem gibt es trotz aller guten Wirtschaftsdaten weite Teile der Gesellschaft, die davon nicht profitieren können, allen voran die Jungen, die immer weniger Chancen für sich in Polen sehen.

Die nationalkonservative PIS hat es da gut verstanden, diesen Frust sich politisch zunutze zu machen. Ihre Spitzenkandidatin Beata Szydlo bietet einfache Lösungen: verspricht eine bessere Umverteilung, Steuerentlastung und höhere Sozialleistungen. Wie sie dies bezahlen will, ohne das Land zu verschulden, die Antwort darauf ist sie auch in dem TV-Duell schuldig geblieben.

Vielleicht muss sie ihre Wahlversprechen auch gar nicht selbst einlösen, denn Beata Szydlo gilt vielen in Polen bloß als willfährige Platzhalterin für die graue Eminenz der PIS, nämlich für Jaroslaw Kaczynski. Kaczynski wisse, dass er zu sehr polarisiere, als dass er Wahlen gewinnen könne. Deshalb schickt er Beata Szydlo vor, um dann später selbst auf den Premierministersessel zu wechseln. Das ist ein realistisches Szenario, meint Adam Krzeminski. Immerhin hat Kaczynski es auf diese Art schon einmal geschafft, Premier zu werden, nämlich nach den Wahlen 2005.