Bulgariens Umgang mit Flüchtlingen

Die Balkanstaaten wollen den Flüchtlingsstrom in Richtung Westeuropa drosseln. In Slowenien, Kroatien und Serbien wird Stacheldraht ausgerollt. In Bulgarien, mit einer Landgrenze zur Türkei, gibt es einen Zaun seit einem Jahr. Dennoch gelangen tausende Flüchtlinge ins Land. Weil sie an der Weiterreise Richtung Westeuropa gehindert werden, sitzen tausende, vor allem afghanische Flüchtlinge, in Bulgarien fest. Viele erheben Misshandlungsvorwürfe gegen die bulgarische Polizei.

Morgenjournal, 23.11.2015

Eine Reportage von einem Flüchtlingszentrum in Sofia,

Das Registrierungsformular unterschreiben bitte, sagt der Asylbeamte zum 21-jährigen Afghanen Rahmatullah. Der will nach Italien, ist aber gestrandet in Bulgarien. Kurz vor seiner Einvernahme im Asylverfahren in einem Flüchtlingszentrum in Sofia erzählt er uns, er sei nach dem Grenzübertritt erwischt worden: "Da war ein Loch im Stacheldrahtzaun zwischen der Türkei und Bulgarien. Wir sind durch mit unserem Schlepper. Aber gleich danach hat uns die bulgarische Polizei festgenommen."

Auf Englisch und fast berührend ehrlich erklärt der Afghane dann, warum er eineinhalb Monate Richtung Europa unterwegs war: Er hat seinen Job am US-Luftwaffen-Stützpunkt Bagram verloren - wohl wegen des Teil-Rückzugs der Amerikaner: „Ich hab in der Küche gearbeitet. Job verloren? Jajaja, that´s why I come here”. Ob das für eine Anerkennung als Flüchtling reicht, bleibt vorerst offen.

Draußen vor dem bulgarischen Flüchtlingscamp bildet sich eine Traube von rund 40 aufgeregten Afghanen, die mit uns Journalisten reden wollen. Einer war Dolmetsch für die US-Army und übersetzt für uns. "Wir sind nur arme Leute", sagen die meisten hier, "für die Amerikaner haben wir nicht gearbeitet": "Nein, wenn wir für die Amerikaner gearbeitet hätten, würden die Taliban uns bedrohen und unsere Köpfe abschneiden."

Dann Klagen über die bulgarische Polizei. Nur Syrer würden durchgelassen Richtung Westeuropa. Afghanen hingegen aufgehalten an der bulgarisch-serbischen Grenze. Aus Bulgarien wieder hinauszukommen sei ebenso schwer wie hineinzukommen: "Die haben Hunde und hetzen sie auf uns Migranten. Ich kenne einen, der wurde gebissen. Sie beißen." "Der Mann sagt, fünf Mal hat er versucht, über die serbische Grenze zu kommen. Die Polizisten haben mich geschlagen, dass mein Körper noch schmerzt."

Ein Mann zeigt eine Abschürfung, ein anderer eine kleine Verletzung an der Lippe, angeblich Folgen der Behandlung durch die Polizei. Ähnliche Vorwürfe sind zuletzt von der großen Hilfsorganisation Oxfam gekommen.

Vom bulgarischen Innenministerium heißt es: Strafbarer Gebrauch von Gewalt und Missachtung von Menschenrechten durch Beamte würden überprüft. Bei Verstößen würden Disziplinarmaßnahmen oder Anzeigen erstattet. Menschenrechtsorganisationen hätten Zugang zu Hafträume und Asyl-Zentren. Und Albena Ignatova, Abteilungsleiterin der staatlichen Flüchtlingsagentur sagt: „Niemand in einem Flüchtlingszentrum hat mir je persönlich erzählt, dass er geschlagen wurde."

Wobei in den 6 Flüchtlingszentren nur aufgenommen wird, wer in Bulgarien einen Asylantrag stellt, aber das wollen ja die wenigsten. Obdachlosigkeit ist die Folge: "Viele Leute haben keine Asylwerber-Dokumente, sie schlafen im Freien hier."

Und bei einer Razzia vor einer Woche sind 320 illegale Einwanderer aus Pakistan und Afghanistan festgenommen worden. Vor dem Asylzentrum wird dann Essen gebracht und die Afghanen freuen sich - auch wenn manche sagen, wer keinen Asylantrag stellt, bekomme kein Essen: "Ich bin jetzt doch ein bisschen am Überlegen, ob ich in Bulgarien bleibe, falls ich hier einen guten Job bekomme," sagt Rahmatullah drinnen im Flüchtlingszentrum. Tatsächlich versucht die bulgarische Flüchtlingsagentur Jobs und Wohnungen zu vermitteln - freilich nur an die, die auch als Flüchtlinge anerkannt werden - sonst droht die Abschiebung.