"Last Shelter": Es begann in der Votivkirche

Drei Jahre ist es her, dass eine Gruppe junger Flüchtlinge die Votivkirche in Wien besetzt hat, um auf ihre prekäre Situation im schon damals überfüllten Lager Traiskirchen sowie den schleppenden Verlauf ihrer Asylverfahren aufmerksam zu machen.

Der österreichische Dokumentarfilmemacher Gerald Igor Hauzenberger, der 2013 für seinen Film über den Tierschützer-Prozess mit dem österreichischen Filmpreis ausgezeichnet worden ist, hat die Flüchtlinge seitdem begleitet. Seine Dokumentation "Last Shelter" hatte bei der Viennale Premiere und läuft diese Woche in den heimischen Kinos an.

Protestszene aus dem Film

STADTKINO FILMVERLEIH

Mittagsjournal, 24.11.2015

Service

Stadtkino Wien - Last Shelter

Solidaritätskundgebungen vor dem Aufnahmelager in Traiskirchen im Sommer 2012; dann der Protestmarsch nach Wien und die Besetzung der Votivkirche - ihr letzter Zufluchtsort, wie einer der Flüchtlinge meint. Es ist kurz vor Weihnachten, als die jungen Männer aus Afghanistan und Pakistan in den Hungerstreik treten. Vertreter der katholischen Kirche, wie auch Kardinal Christoph Schönborn wirken überfordert.

Chronik der Hilflosigkeit

Am Anfang, so Regisseur Gerald Igor Hauzenberger, habe er die Kameras weniger mit der Idee eines Filmprojekts, sondern vor allem zur Unterstützung der Flüchtlinge mit in die Votiv Kirche gebracht. "Kameras wirken grundsätzlich deeskalierend", so Hauzenberger, der in seinem Film eine Chronik der Ereignisse nachzeichnet. Eine Chronik der Überforderung und der Hilflosigkeit auf allen Seiten: zwischen den teils unrealistischen Forderungen der Flüchtlinge und dem immer wieder exzessiv wirkenden Auftreten der Polizei.

Kein Wort über die Realität

Hauzenberger ist dabei ein Filmemacher, der aus einer klar definierten Position heraus erzählt: Er widme den Film den Menschen, mit denen er filme. Drei Jahre lang hat er die Flüchtlinge begleitet, und sie mit ihren Geschichten vor die Kamera geholt. Von Drohnenangriffen wird da erzählt, während Bilder von Dörfern gezeigt werden, die zerbombt, nur noch schwer als solche erkennbar sind. Und wenn ein Vater mit seiner Tochter telefoniert, dann erzählt er ihr vom schönen Leben in Österreich, um sie zu beruhigen. Das noch immer laufende Asylverfahren, Notunterkunft, Hungerstreik und Arbeitsverbot verschweigt er ihr.

Kunst vs. politische Realität

Immer wieder filmt Hauzenberger dann die Fensterbilder in der Votivkirche oder Wandgemälde in der Akademie der bildenden Künste. Kunstwerke, die eine ganz andere Sprache sprechen, als die politische Realität. Und eine zentrale Frage die dieser Film dann in den Raum stellt ist, wie lange es sich Europa noch leisten kann, als Gesellschaft, als Kultur, der Flüchtlingskrise mit politischen Kompromissen zu begegnen. Von der österreichischen Politik würde sich Hauzenberger wünschen, dass sie "proaktiv statt reaktiv" zu denken beginnt. "Man kann nicht sagen, wir erwarten in den nächsten zwei Jahren mehr Flüchtlinge und tut aber nichts."

Am Ende seines Films "Last Shelter" zeigt Hauzenberger Bilder von der Grenze in Nickelsdorf im September 2015. Und es schließt sich damit gewissermaßen ein Kreis, hin zu den Ereignissen der letzten Monate, die diesen Film in mancher Hinsicht überholt haben, in mancher Hinsicht aber umso aktueller machen.