Anne Enrights neuer Roman "Rosaleens Fest"
Mit ihrem Roman "Das Familientreffen" hat die Irin Anne Enright 2007 den Booker-Prize gewonnen. Seit damals gilt sie als Expertin für ungewöhnliche Familien und deren Spleens und Eigenheiten. Ihr neuer Roman "Rosaleens Fest" stellt da keine Ausnahme dar.
8. April 2017, 21:58
25 Jahre umfasst diese Familiengeschichte, folgt den in alle Himmelsrichtungen verstreuten Kindern und endet mit einem ganz und gar nicht reibungslosen gemeinsamen Weihnachtsfest. Der Roman schaffte es heuer auf die Longlist zum Booker-Prize, jetzt ist die deutsche Übersetzung erschienen.
Mittagsjournal, 17.12.2015
"Liebhabern von Familienromanen kann man Anne Enrights neuen Roman vorbehaltlos empfehlen. Und allen anderen auch."
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Anne Enright, "Rosaleens Fest", DVA
Originaltitel: "The green road"
Epizentrum Mutter
Irlands wildromantischer Westen, einst von Dichtern wie William Butler Yeats oder Seamus Heaney besungen, ist die Heimat der Familie Madigan. Der Vater ist eine Schattengestalt, Epizentrum der familiären Beben ist viel mehr die Mutter Rosaleen, höchst emotional in ihren Reaktionen und mit einigen höchst fragwürdigen Eigenschaften ausgestattet.
"Um die Figur der Rosaleen zu verstehen, musste ich viel recherchieren", erklärt Anne Enright: "So habe ich einige Zeit in Internetforen verbracht, in denen sich Kinder über ihre Eltern beschweren. In meiner Familie gab es die Regel, dass die Eltern nie mit einem Kind über ein anderes sprechen durften, aber genau das macht Rosaleen. Sie fragt ihre Kinder andauernd übereinander aus und treibt sie damit in den Wahnsinn. Es geht da um Geld, Alkohol oder darum, ob der Sohn schwul ist oder nicht. Aber weil ihr die Themen peinlich sind, schafft sie es nicht, sie direkt anzusprechen, sondern umkreist sie immer nur."
Gegensätze prallen aufeinander
Kein Wunder, dass drei der vier Madigan-Kinder das Weite suchen. Sohn Dan landet im Big Apple, seinen Bruder Emmett treffen wir als Entwicklungshelfer in Mali wieder, Tochter Hannah schafft es zumindest in die Hauptstadt Dublin, nur die älteste bleibt im ländlichen Irland. Die ganz unterschiedlichen Lebenswege der verschiedenen Familienmitglieder beschreibt Enright dabei in getrennten Kapiteln. "Ich mag nicht wie ein Schriftsteller im 19. Jahrhundert schreiben, für den die Welt noch durchschaubar und halbwegs sicher war", so die Autorin. "Deshalb ist es mir wichtig, meine Geschichten aufzubrechen und verschiedene Perspektiven gegenüberzustellen. Ich halte es für notwendig, die Gegensätze auf diese Weise aufeinanderprallen zu lassen."
Höhepunkt der Aids-Krise
Jahre und sogar Jahrzehnte lässt Enright zwischen den Kapiteln vergehen, den jeweiligen Zeitpunkt, wann sie den Faden eines Lebens wieder aufgreift, sind aber ganz genau überlegt. Den bisexuellen Dan trifft man etwa im New York des Jahres 1991 wieder, dem traurigen Höhepunkt der AIDS-Krise. "Das Auftauchen von Aids war in meinem frühen Erwachsenenleben ein neuralgischer und bestimmender Punkt", sagt Enright. "Seit damals wurde aber wenig darüber geschrieben, hauptsächlich, weil so viele Menschen aus der Szene an Aids gestorben sind und ihre Erfahrungen einfach nicht mehr festhalten konnten. Jetzt scheint es langsam möglich, das Thema fiktional zu bearbeiten, was lange Zeit einfach nicht ging."
Schnörkellose Sprache
Es ist fast unheimlich, wie Anne Enright es mit nur wenigen Sätzen schafft, den Leser an andere Orte und in andere Zeiten zu versetzen. Und wie es ihr gelingt, nacheinander in die Köpfe ihrer so unterschiedlichen Figuren zu schlüpfen. Das alles geschieht in einer angenehm schnörkellosen Sprache. Anne Enright: "Stilistisch versuche ich mich immer mehr vom Zwang der schönen Sätze zu befreien, weil sie für mich etwas Narzisstisches haben. Ich mag eine gewisse Eleganz im Ausdruck und gleichzeitig wehre ich mich dagegen und wenn ich dieses Spannungsverhältnis spüre, weiß ich dass ich auf dem richtigen Weg bin."
Liebhabern von Familienromanen kann man Anne Enrights neuen Roman "Rosaleens Fest" vorbehaltlos empfehlen. Und allen anderen auch.