Das Geheimnis um Shakespeares Dark-Lady Sonette

Chris Pichler und Peter Matić luden zu einem historisch-amourösen Krimi in die Welt von Shakespeare und seinen Sonetten.

Peter Matic

Peter Matić

(c) Josef Gallauer

Der junge Henry Wriothesley Graf von Southhampton war ein angesehener Mann im engsten Kreis von Elisabeth I., der die Künstler seiner Zeit förderte. Shakespeare durfte sich mit ihm befreundet schätzen und widmete ihm den ersten Teil seiner Sonette. Doch wer ist jene schöne Unbekannte, die Shakespeare in seinen weiteren Sonetten besang?

Auf Basis von spannender Forschungen wurde das Geheimnis gelüftet und noch einiges mehr zutage gebracht, über den hübschen blonden Jüngling, die dunkle Dame und den bereits älteren Dichter. Shakespeares Sonette widerspiegeln seine Umgebung, seine Beziehungen, die Gepflogenheiten und die Lebensart im goldenen Zeitalter um Elisabeth I.

Chris Pichler

Chris Pichler

(c) Elfie Semotan

Chris Pichler im Interview:

Sie werden am 10. Februar das Geheimnis um Shakespeares "Dark Lady" lüften. Was verraten Sie uns denn vorab über den Abend?
Wir werden einen kleinen Krimi über die "Dark Lady" präsentieren. Die Voraussetzung ist: Es gibt ein Bild namens "The Persian Lady", das eine höhergestellte englische Dame aus der Shakespeare-Zeit zeigt. Auf diesem befindet sich im unteren Bereich eine Kartusche, ein kleines Emblem, in dem ein Sonett abgebildet ist – das Forschungen zufolge von Shakespeare stammt. Der erste Teil der 154 Shakespeare-Sonette ist dem Grafen Southampton gewidmet – dieser hat Künstler gefördert, war sehr bibliophil und nachweislich mit Shakespeare befreundet. Im zweiten Teil der Sonette ab 127 taucht jedoch plötzlich eine interessante Frau auf, die aufgrund ihrer Beschreibung – dunkle Haare, große, dunkle Augen, "unergründliches" Wesen – "Dark Lady" genannt wird. Und es wird in diesen Sonetten von einer Dreiecksbeziehung berichtet – und genau da lässt sich eine Verbindung herstellen. Denn: Warum taucht in den Sonetten an einen Freund plötzlich diese Dark Lady auf, warum findet man ein unbekanntes Shakespeare-Sonett auf diesem Bild? Wer ist diese Frau auf diesem Gemälde? Und sie ist offensichtlich schwanger! Das ist der Ausgangspunkt für eine spannende Geschichte zwischen dem Grafen Southampton, Shakespeare und der Dark Lady.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Peter Matić bei diesem Projekt?
Wir haben beispielsweise in Reichenau "Die Affäre Lina Loos" gespielt und viele Rezitationen miteinander gemacht, Hörbücher oder auch Konzerte im Theater an der Wien. Immer wieder hat er mich empfohlen oder ich durfte ihn für ein Projekt ansprechen. Es ist so schön, mit ihm zu arbeiten, er ist ein klasser Kollege und ein so feiner Künstler. Es war mein großer Wunsch, bei diesem Projekt mit ihm zusammen zu arbeiten – da er ein unglaubliches Sprachgefühl und eine große Musikalität hat und ein tiefes Gespür, was in den Texten und dahinter liegt.

Inwiefern spiegelt die Beschreibung der "Dark Lady" Shakespeares Frauenbild wider?
Man liest aus diesen "Dark Lady"-Sonetten, dass diese emanzipierte Frau Mut hatte, ihre Leidenschaft zu leben und sich dabei über Konventionen hinwegzusetzen. Und es geht um eine große Liebe, eine intensive Leidenschaft – darin liegt die Stärke und das Zeitlose der Gedichte: tiefe Emotionen, Sehnsüchte, ein Offensein fürs Leben, dafür, was es einem bietet, und weniger, wie man zu sein und sich gesellschaftlich einzuordnen hat. Die "Dark Lady" ist aus einigen Konventionen ausgestiegen, sie lebt, was gesellschaftlich nicht das ist, was "man tun sollte". Aber was ist wichtiger: glücklich zu sein für Augenblicke, für eine wesentliche Zeit in seinem Leben – oder sich unterordnen oder gar zu verleugnen? Solche Fragen ploppen auf, wenn man diese Sonette liest. Dass Shakespeare der "Dark Lady" diese Leidenschaftlichkeit auch in den Sonetten zugesteht, sagt etwas über sein Frauenbild aus.

Welche Aspekte aus Shakespeares Zeit sind heute relevant?
In Shakespeares Zeit, unter Elizabeth I., erlebte England sein goldenes Zeitalter und war bestrebt, ein eigenes englisches Selbstwertgefühl aufzubauen, auch der Wandel der Religion wurde zu einem wichtigen Thema – es war eine Gesellschaft im Umbruch, aufgeschlossen für Neues, sehr künstlerisch, sehr kreativ, sehr umtriebig und sehr "fragile". Damals wie heute war/ist es für Künstler/innen wichtig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort und mit den richtigen Leuten vernetzt zu sein. Spannend sind auch Themen wie Melancholie, das Schönheitsideal, der enge Zusammenhang von Literatur und Musik – und damit auch die Frage, wie man Sprachmusik in eine andere Sprache "übersetzt".

Zudem war Shakespeare immer auf der Suche nach Stoffen, nach Mythen und hat Themen seiner Zeit aufgegriffen und in seinen Werken verarbeitet. Das ist es, was mich interessiert: Wir Menschen heute bewegen uns in "unserer" Zeit, greifen heutige Themen auf und benutzen genauso alte Mythen oder alte Stoffe, um darin etwas zu finden, das für uns heute relevant sein kann. Das ist das Tolle an guter Literatur, an guten Stücken: Sie öffnen Raum, indem man mit sich selbst ins Gespräch kommt, mit anderen in Dialog tritt. Das schafft Bewegung und Aufbruch. Mein Anliegen ist, die Dinge in unser Leben zu bringen, zu ermöglichen, dass man durch Spuren und Erleben mit sich und anderen im Jetzt ankommt und ist.

Das Interview führte Susanne Berndl.

Service

Das Geheimnis um Shakespeares Dark-Lady Sonette
Mittwoch, 10. Februar 2016
19:30 Uhr
Großer Sendesaal

Chris Pichler

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