China und das Internet

2016 soll das Jahr der Innovationen für das chinesische Internet werden. Dieses Ziel hat Staatschef Xi Jinping ausgegeben. Wobei die chinesische Regierung ein spezielles Verständnis von Innovation hat.

Sie will ein "Social-Credit-System" einführen. Das soll für jeden einzelnen chinesischen Staatsbürger zeigen, wie vertrauenswürdig er ist - aus Sicht der Regierung. Die Sinologin und Kulturwissenschaftlerin Ingrid Fischer-Schreiber beobachtet diese Entwicklungen genau und kommentiert sie in ihrem Blog.

Morgenjournal, 18.1.2016

Der seit 2013 amtierende Staatsführer Xi Jinping hat einen ambitionierten Fahrplan vorgestellt, der China zu einer starken "Internet-Nation" machen soll. So soll die staatliche Souveränität durch ein ausgeklügeltes Zensursystem auch im Internet gewahrt bleiben. Noch mehr Angst macht aber ein Social-Credit-System, das die Vertrauenswürdigkeit jedes einzelnen chinesischen Staatsbürgers auf eine Weise abbilden soll, die George Orwells Zukunftsvisionen wie ein Ammenmärchen erscheinen lassen.

700 Millionen Internet-User

Das erste chinesische Internet-Museum, Open Data in Shanghai oder Digital Communities in China. Die jüngsten Einträge auf yingeli.net, dem Blog von Ingrid Fischer-Schreiber, widmeten sich zuletzt zu einem großen Teil den Entwicklungen des Internet in China. Knapp 700 Millionen Internet-User gibt es derzeit im Reich der Mitte und die meisten von ihnen sind über die Messaging-Plattform WeChat miteinander vernetzt.

Chinesische Alternative zu Facebook

WeChat stellt dabei so etwas wie die chinesische Alternative zu westlichen Social-Media-Seiten dar, die in China blockiert sind. "Facebook beginnt jetzt WeChat zu kopieren, weil es z.B. City Services (Verkehrsdaten) gibt oder weil man einen Termin in einem Spital ausmachen kann", erklärt Ingrid Fischer-Schreiber.

Umfassende Dienste für alle User-Daten

So umfassend die Dienste sind, so umfassend erfolgt auch die Datensammlung über die User. Bedenken über die Durchleuchtung im Netz gibt es kaum. Wo seit Jahrzehnten Überwachung herrscht, ist sie zum gewohnten Alltag geworden. Verwunderung herrscht da eher über das blauäugige Vertrauen westlicher Bürger in ihre Regierungen und Geheimdienste.

Virtuelle ID umfasst das gesamte Leben

Das neue Social-Credit-System, das die chinesische Regierung bis 2020 implementieren will, hebt den Begriff "Überwachung" dann aber doch in eine ganz neue Dimension. "Da soll das Profil eines Users mit einer virtuellen ID erstellt werden, das sein gesamtes Leben umfasst - bis hin zu Freundeskreis auf WeChat", so die Forscherin. "Auch die großen IT-Firmen, die inzwischen alle Finanzleistungen im Netz anbieten, haben ihre eigenen Credit-Systeme, um die Finanzwürdigkeit zu prüfen. Wie sehr diese Plattformen dann zusammengespannt werden, ist noch nicht klar. Amerikanische Forscher stufen das als 'Orwell hoch zehn' ein."

Loyalität der IT-Firmen zur Partei

Die Loyalität der großen chinesischen Internet-Unternehmen zur kommunistischen Partei und Regierung steht scheinbar außer Frage. Und eine Meldung wie letzten Dezember erscheint dadurch in einem ganz neuen Licht. Damals wurde die Übernahme der bisher freien und regimekritischen Hongkonger Tageszeitung "South China Morning Post" durch das milliardenschwere chinesische Online-Handelsunternehmen Alibaba und ihren CEO Jack Ma gemeldet.

Ingrid Fischer-Schreiber: "Die großen Player arbeiten sehr eng mit der Regierung zusammen, weil ihnen nichts anderes übrigbleibt. Sonst sind sie weg vom Fenster. Vor eineinhalb Jahren wurden die CEOs dieser Firmen ins zentrale Fernsehen zitiert worden und wurden vor laufender Kamera zu gewissen Zugeständnissen gezwungen." Geteilt und gesehen wurden diese Videos mit Sicherheit von Millionen. Ob sich die CEOS über die vielen Clicks gefreut haben, darf bezweifelt werden.

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Yingeli.net - Ingrid Fischer-Schreiber