Bernhard Viel über die Schattenseiten von Waldemar Bonsels, den Vater der Biene Maja
Der Honigsammler
Bernhard Viel beginnt sein Buch über Waldemar Bonsels klassisch: Mit Geburt, Zwist im Elternhaus, seinen Wanderjahren. Außer einer kurzen Missionstätigkeit in Ostindien geschieht da nicht wirklich Aufregendes. Aber mit dem Umzug nach München 1904 ändert sich das.
8. April 2017, 21:58
Bonsels gründet einen eigenen Verlag und der reüssiert alsbald. Neben eigenen bringt er Texte junger Autoren, aber auch Thomas und Heinrich Mann vertrauen Bonsels und seinem Verlag kleinere Publikationen an. Bonsels war ein Meister der Diplomatie, er schaffte sich ebenso wichtige Beziehungen zu Schaltstellen im Literaturbetrieb als auch zu Künstlerkreisen. Und dennoch blieb er ein Außenseiter in der Schwabinger Boheme. Die Brüder Mann, Frank Wedekind, Erich Mühsam, Stefan George und Karl Wolfskehl kannten Bonsels, doch an den Dichterstammtischen im Café oder bei den wilden Festen der Gräfin Reventlow war er nicht zugegen.
Waldemar Bonsels liebte die Natur und während er so im Vorkriegsdeutschland durch seinen Garten schlenderte, kam ihm die Idee zu einer Art Tierfabel – mit einer Biene in der Hauptrolle. „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ erschien 1913 und war anfangs ein mäßiger Erfolg. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs änderte sich das schlagartig. Bonsels „Biene Maja“ wurde zum Megaseller.
Zitat
Eine Ursache dafür, dass Die Biene Maja und ihre Abenteuer sich im Laufe des Krieges zum Bestseller entwickelte, liegt zweifellos in Bonsels‘ Einfall, einen friedlichen Bienenstaat als Muster einer politischen Utopie auszuwählen und dessen friedliebendes und emsiges Volk von raubgierigen Hornissen angreifen zu lassen. Am Vorabend des Weltkrieges wusste jedes Schulkind, welche Ordnungsidee dafür Pate stand.
Nach 1945 gab sich Waldemar Bonsels natürlich als Antifaschist und Demokrat aus. Doch diesmal ging sein Opportunismus nicht ganz auf: Die Amerikaner entdeckten seine antisemitischen Artikel und verhängten ein Schreibverbot. Das dauerte allerdings nur ein Jahr lang. Viel ist also Waldemar Bonsels nicht passiert. Und so genoss der Autor seinen Lebensabend geehrt und geachtet als Verfasser der süßen „Biene Maja“.
Bernhard Viels Bonsels-Biographie ist auch deswegen so interessant, weil sie den Lebensweg eines deutschen Opportunisten haargenau nachzeichnet und dabei die Zeitumstände in Kultur wie Politik klar vor Augen führt. Und die Waldemar Bonsels Stiftung, die noch immer vom Honig der Biene Maja zehrt, könnte nun nach Veröffentlichung der Biographie nicht nur schöne Kinder- und Jungendliteratur fördern, sondern auch Bücher, die zeitkritisch gegen fatalen Opportunismus antreten.