Von Durs Grünbein
Die Jahre im Zoo
Der deutsche Schriftsteller und preisgekrönte Lyriker Durs Grünbein erzählt in seinem aktuellen Buch von seiner Herkunft und seiner Kindheit in der DDR - ein Kaleidoskop aus autobiografischer Prosa, Poemen, Reflexionen und Fotos des Büchner-Preisträgers.
8. April 2017, 21:58
Durs Grünbein wurde 1962 in Dresden geboren, studierte Theaterwissenschaften in Berlin, bevor er Ende der 1980er Jahre als Schriftsteller debütierte. Nun hat er mit "Die Jahre im Zoo" sein erstes autobiografisches Werk verfasst. Gleich im ersten Satz wird der quasi metaphysische Hintergrund des Unterfangens - das eigene Leben in die große Geschichte einzuschreiben und vice versa - genannt:
Service
Durs Grünbein, "Die Jahre im Zoo", Suhrkamp Verlag
Die Zeit - Das verlorene Paradies
Zitat
Aufgewachsen bin ich in einem alten Dresdener Mietshaus, das der Krieg begnadigt hatte; es gehörte jedenfalls nicht zu den zwanzig Prozent, die über Nacht wie vom Erdboden verschluckt wurden.
Die Rede ist von der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 durch die britische und amerikanische Luftwaffe. Im Erdgeschoß besagten Hauses wohnen die Großeltern, im Dachgeschoß der kleine Durs und seine Eltern. Im Haus befindet sich eine Fischhandlung, aus der es ständig stinkt. Der Großvater, "ein Stoiker des Sitzens", sitzt da und schweigt fast immer. Auf diese Weise erholt er sich von seiner schweren Fleischhauer-Arbeit, die nur im Stehen verrichtet werden kann.
Mit gewissem Stolz erinnert sich Grünbein an sein Rabaukentum als Kind, daneben stehen die Momente verträumter Ausflucht aus dem DDR-Alltag durch stundenlanges Sitzen auf einem Kirschbaum. Das Unterfangen, die Vergangenheit im totalitären DDR-Staat schonungslos zu analysieren, ohne banal zu moralisieren und dabei jene Reste freizulegen, die es wert sind, freigelegt zu werden, verlangt nicht nur eine neue Sprache. Es verlangt auch Mut und Können. Durs Grünbein verfügt über all das. Vor allem gelingt es ihm aber, das ganze Spektrum an dabei frei werdenden Emotionen darzustellen, von Verachtung und Hass bis zu den gebotenen Liebeserklärungen. Mehr kann man von Literatur nicht verlangen, mehr kann Literatur auch nicht leisten.