Kritik an hoher Strafe für Dschihadisten
Am Straflandesgericht in Graz ist gestern die bisher höchste und härteste Strafe gegen einen Dschihadisten aus Österreich verhängt worden. Der gebürtige Bosnier Fikret B. wurde von einem Schöffensenat zu 8 Jahren Haft verurteilt - wegen Beteiligung an der IS-Terrormiliz. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und sorgt unter Strafrechtsexperten teils für Kritik.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 4.3.2016
Die Strafe sei extrem und eigentlich zu hoch lautet ein Kommentar, verständlich und argumentierbar ein anderer. Der 49-jährige Bosnier aus Graz wollte nach Syrien reisen, ist aber gar nie dort angekommen. Er wurde in der Türkei gestoppt.
Strafe zu hoch
10 Jahre Haft wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung wären maximal möglich gewesen. 8 Jahre Haft lautet das Urteil des Schöffensenats. Fikret B., ein 49-jähriger gebürtiger Bosnier aus Graz hatte zwar versucht, nach Syrien zu gelangen, wurde aber von den türkischen Behörden gestoppt. Der Innsbrucker Strafrechts-Professor Klaus Schwaighofer meint, der Verurteilte habe offenbar schon starke Sympathien für Bluttaten gehabt aber: tendenziell seien 80 Prozent des theoretischen Strafrahmens extrem. Er sei immerhin nicht nach Syrien gelangt, sondern in der Türkei gestrandet. Die Strafe sei zu hoch. Und der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer meint: 4/5 des Strafrahmens seien ausgeschöpft worden. Bei normaler Schuld eines Ersttäters gehe man von maximal der Hälfte aus.
Der niederösterreichische Strafrechtsexperte Wolfgang Wesely hingegen zeigt Verständnis für das Strafausmaß und findet es argumentierbar. Der Verurteilte habe offenbar zumindest eine Person angeworben für die Terrormiliz islamischer Staat, das habe ja eine konkrete Auswirkung auf die Situation in Syrien. Auch dass er zur Radikalisierung von Jugendlichen beigetragen habe, sei dem gebürtigen Bosnier vorgeworfen worden. Und er sei gegenüber dem Gericht keineswegs kooperativ und nicht geständig gewesen. Wessely, mit dem kein Interview möglich war, meint, dazu komme noch das Ziel der Generalprävention - also dass das Gericht eine abschreckende Wirkung erzielen will.
Strafrechtsprofessor Birklbauer sieht das anders. Im Gerichtssaal hat der Verurteilte gemeint, er verstehe das Urteil nicht und hat sinngemäß gemeint er sei nun ein Faschismus-Opfer. Jedenfalls sieht er es als politisches Urteil, sagt Birklbauer: wenn das auch von seinem Umfeld so gesehen werde, könne das radikalistische Tendenzen verstärken, weil der Rechtsstaat von diesen Personengruppen noch viel weniger akzeptiert werde, weil sie sich selber als Opfer des Rechtsstaates fühlen. Es könnte bedeuten, dass die Abschreckungswirkung völlig ins Gegenteil verkehrt würde.
Auch der Dschihadismus- und Deradikalisierungs-Experte Thomas Schmidinger glaubt, dass sich hochgradig ideologisierte Islamisten nicht abschrecken lassen – eventuell aber jene, die überlegen, als Art Glücksritter nach Syrien zu gehen, weil sie in Österreich für sich keine Chance sehen, so Schmidinger. Die zentrale Frage sei aber, ob und wie im Gefängnis und nach der Haft an der Deradikalisierung der Häftlinge gearbeitet wird. Ein entsprechendes Projekt des Justizministeriums sei immerhin im Anlaufen.