EU: Tauziehen mit der Türkei

In der Nacht auf heute haben die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel ihre Position für Verhandlungen mit der Türkei über die Flüchtlingskrise abgesteckt. Heute sitzt die Türkei, politisch hochrangig vertreten, als Gast mit am Tisch. Die Verhandlungen reichen von Flüchtlingskontingenten bis Visa-Freiheit und letztliche Beitrittsgesprächen.

Ahmet Davutoglu

AP/GEOFFROY VAN DER HASSELT

Mittagsjournal, 18.3.2016

Aus Brüssel,

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu weiß um die neue Geltung und die neue Wirkungsmacht seines Landes. Er betont gleich am Beginn seines Termins in Brüssel, dass zu seiner Vorstellung von Beziehungen zur EU auch ganz klar das Thema Mitgliedschaft in der EU gehört. So weit wollen die 28 sonstigen hier Versammelten derzeit noch nicht gehen, zwar wird der Beitrittsprozess der Türkei zur EU als Langfristperspektive hervorgehoben werden, aber wie konkret die Einigung in diesem Punkt ausfällt, das hängt vor allem von Zypern ab und von der Frage, ob die Türkei bereit sein wird, Zypern anzuerkennen oder wenigstens Schiffe aus Zypern in seine Häfen zu lassen.

Auch bei anderen Punkten, die der Türkei wichtig sind, ist das Angebot der EU nicht ohne Hürden. Es ist für die EU- Staats- und Regierungschefs vorstellbar, dass türkische Staatsbürger schon bald kein Visum mehr brauchen könnten, wenn sie ein die EU reisen wollen. Aber es gilt für die Türkei eine Reihe von Kriterien zu erfüllen - von fälschungssicheren Dokumenten bis hin zu mehr Respekt für Minderheitenrechte geht der Katalog.

Und auch die Visumserleichterungen sind an die Forderung geknüpft, der Zustrom von Flüchtlingen über das Meer nach Griechenland müsse nachlassen, eine Verbindung, die Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel recht eindeutig hervorhebt.

Menschen sollen in großer Zahl von griechischen Inseln in die Türkei zurückgewiesen werden, möglichst bald, wie Gipfelteilnehmer hier betonen, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) spricht die Signalwirkung an: Schlepper müssten erkennen, dass das Geschäftsmodell beendet sei.

Aber in der Praxis bleiben viele Fragen offen. Man müsste so schnell wie möglich dutzende Richter und hunderte Beamte auf griechische Inseln bringen. Denn jeder, die EU erreicht, hat das Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, auch wenn es in praktisch allen Fällen mit der Zurückweisung enden soll.

Und heute hat die Türkei den ganzen Tag über noch Zeit, eine Einigung mit ihren Forderungen zu verzögern oder gar noch scheitern zu lassen: Mit Flüchtlingen machen wir keine Tauschgeschäfte, hier geht es um Werte, sagt Ministerpräsident Davutoglu aus der Türkei. Werte, die, so ist es zwischen den Zeilen zu verstehen, einen ziemlich hohen Preis erfordern dürften.