EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei

Die Flüchtlingskrise rückt die Türkei näher an Europa heran. Beim gestrigen EU-Gipfel in Brüssel hat die Türkei zahlreiche Zugeständnisse der Europäer erzielen können. Allerdings muss sie der EU bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise helfen. Und zwar nachweislich.

Morgenjournal, 19.3.2016

Es war die Kröte, die geschluckt werden musste. Ausgerechnet jetzt ermöglicht die EU der Türkei einen Ehrenplatz am Tisch der 28 Mitgliedsstaaten. Jetzt, wo Journalisten europäischer Medien aus der Türkei vertrieben werden und die demokratiepolitischen Entwicklungen keineswegs dem europäischen Wertekanon entsprechen. Umso bemerkenswerter der Erfolg für den Türkischen Premierminister Ahmet Davutoglu: Ein historischer Tag vor allem für die Türkei, immerhin sind erhofften Einreise-Erleichterungen für türkische Staatsbürger in die EU nun in greifbarer Nähe. Im Juni schon könnte die Aufhebung der Visapflicht beschlossen werden, sofern sich die türkische Regierung die notwendigen Kriterien umsetzt. Guter Wille ersetzt offenbar angesichts der Flüchtlingskrise die bisherige Skepsis gegenüber der Türkei. Bundeskanzler Werner Faymann: Das sei kein Handel. Die Umsetzung werde streng überprüft.

Streng überprüft wird schließlich aber auch die Umsetzung des EU-Türkei-Deals. Ob also die Türkei tatsächlich die in Griechenland ankommenden Flüchtlinge zurücknimmt. Die Regelung gilt ab morgen - jeder, der illegal nach Griechenland einreist, soll wieder zurückgeschickt werden. Damit will Europa abschrecken - gleichzeitig aber versucht es seine Werte zu verteidigen. Eine Gratwanderung. Jeder Flüchtling werde eine Einzelfall-Prüfung erhalten, beteuert EU-Ratspräsident Donald Tusk: Es wird keine ungeprüften Abschiebungen und keine Massenabschiebungen geben.

Für die Einzelfall-Prüfungen aber fehlt derzeit noch Personal. EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker spricht von einer logistischen Herkulesaufgabe: 4.000 Mitarbeiter würden gesucht. Das werde unverzüglich in Angriff genommen.

Bis die Beamten einsatzbereit sind, werden die Flüchtlinge jedoch auf den Hotspots festsitzen - eingesperrt. Das birgt Abschreckungspotential. Europa hofft, auf diese Weise den Flüchtlingszustrom zu drosseln - die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gibt sich zweckoptimistisch. Sollte es nicht funktionieren, werde man neu nachdenken, davon gehe man aber nicht aus.

Geht der Plan auf, könnte das Flüchtlingsaufkommen entlang der Ägäis-Route bald Ruhe einkehren. Damit dürften aber auch neue Fluchtrouten entstehen.