Von Yvonne Adhiambo Owuor

Der Ort, an dem die Reise endet

In ihrem ersten Roman erzählt die kenianische Autorin Yvonne Owuor die blutige und chaotische Geschichte Kenias seit der Entkolonialisierung und der Unabhängigkeit 1963, gespiegelt in den Geschicken der Familie Oganda, die im staubigen, ausgedörrten und wüstenhaften Norden Kenias eine Ranch betreibt. Diese Ranch trägt den Namen "Wuoth Ogik" (Der Ort, an dem die Reise endet).

"Ein faszinierendes, anschaulich und panoramatisch ausgefächertes Porträt einer kämpfenden, leidenden, aber nicht hoffnungslosen afrikanischen Gesellschaft"
Sigrid Löffler im Gespräch mit

Service

Yvonne Adhiambo Owuor: "Der Ort, an dem die Reise endet", Roman, aus dem Englischen von Simone Jakob, DuMont Verlag
Originaltitel: "Dust"

New York Times - The Unvanquished

Yvonne Adhiambo Owuor wurde 1968 in Nairobi geboren, sie hat in Kenia, in Südafrika und in England studiert - Linguistik, Geschichte, Fernseh-, Video- und Medienkunst. Sie ist von fast beängstigender Umtriebigkeit und beruflicher Vielseitigkeit. Sie arbeitete als Drehbuch-Autorin und entwickelte akademische Programme für die Aga-Khan-Universität in Nairobi, sie leitete drei Jahre lang das Internationale Filmfestival in Sansibar, ist als Unternehmensberaterin, in der Kreativ- und Kulturwirtschaft und im Umweltschutz tätig.

Vor vier Jahren nahm sie ein Stipendium für Kreatives Schreiben an der Universität von Queensland in Australien wahr, denn neben ihren vielfältigen Aktivitäten und kulturellen Projekten hat sie sich immer auch schon literarisch betätigt. Ihre Geschichten - alle auf Englisch geschrieben - erschienen in Zeitschriften weltweit. 2003 veröffentlichte sie die Erzählung "Weight of Whispers", die Geschichte eines Flüchtlings aus dem frankophonen Afrika, den es nach Nairobi verschlägt, wo ihm die Integration allergrößte Mühe macht. Für diese Story erhielt sie den Caine Prize 2003.

Yvonne Owuor gehört zu einer neuen Generation von gut ausgebildeten und westlich erzogenen afrikanischen Weltbürgern, einer selbstbewussten und stolzen afrikanischen Erfolgsgeneration, die auch ein neues afrikanisches Generationsgefühl vermittelt, das auf transnationaler Mobilität beruht. Von anderen Englisch schreibenden afrikanischen Autoren wie den Nigerianern Teju Cole, Chimamanda Ngozi Adichie oder Helon Habila unterscheidet sich Yvonne Owuor vor allem in einem Punkt: Sie ist nicht emigriert. Zugleich nimmt sie für sich den Begriff "Multilokalität" in Anspruch. Darunter versteht sie ihre ganz unterschiedlichen Heimatgefühle, die sich keineswegs nur auf ihr Geburtsland eingrenzen lassen.

Der Ort, an dem die Reise endet

Der Roman beginnt in der Nacht der Präsidentschaftswahlen im Dezember 2007. In der Wahlnacht wird Odidi, der einzige Sohn der Familie Oganda, in Nairobi getötet. Er war der Hoffnungsträger der Familie mit glänzenden Berufsaussichten. Seine Schwester Ajany, die als bildende Künstlerin in Brasilien lebt, fliegt sofort nach Nairobi. Gemeinsam mit ihrem Vater Nyipir überführt sie den Leichnam ihres Bruders auf die Ranch der Familie, um ihn dort zu beerdigen.

Zugleich bekommt die Ranch unerwarteten Besuch. Ein junger Engländer namens Isaiah Bolton taucht auf. Er will das Verschwinden seines Vaters Hugh Bolton aufklären. Diesem Kolonial-Engländer hat diese Ranch vor mehr als vierzig Jahren gehört, dann ist er spurlos verschwunden, und die Familie Oganda hat die Ranch in Besitz genommen. Vater Bolton arbeitete zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft im britischen Geheimdienst, war Geheimpolizist mit der Aufgabe, die Mau-Mau-Rebellion blutig zu unterdrücken. Vater Oganda war ihm als Soldat der kolonialen Stammespolizei zugeteilt und fungierte eine Zeitlang der Totengräber der Kolonialherren: Er musste die Todesopfer des Kolonialkriegs beseitigen. Gemeinsam und gegeneinander haben der britische Kolonialherr und der indigene Kolonialpolizist allerlei Untaten begangen, über die seither geschwiegen wurde.

Der Sohn Isaiah Bolton fungiert im Roman als eine Art Katalysator. Durch seine Nachforschungen kommen allmählich alle gut verschlossenen und verdrängten tragischen Geheimnisse der Familie Oganda ans Licht.