Roman von Marta Karlweis

Ein österreichischer Don Juan

Die aus Wien gebürtige Autorin Marta Karlweis hat in ihrem 1929 erschienenen Roman "Ein österreichischer Don Juan" ein induktives Verfahren angewandt, indem sie aus einer Figur heraus die doppelbödige Moral der späten Habsburgermonarchie analysiert. Nun liegt das Buch, das bei seinem Erscheinen begeistert aufgenommen wurde, in einer Neuauflage vor.

Ernst Grabovszki

Service

Marta Karlweis, "Ein österreichischer Don Juan", Roman, DVB Verlag

Marta Karlweis (1889 bis 1965) war eine Zeitgenossin von Mário de Sá-Carneiro, und ist wie der Portugiese heute weitgehend unbekannt. Dabei war die Schwester des seinerzeit berühmten Schauspielers Oskar Karlweis und Frau des Schriftstellers Jakob Wassermann durchaus erfolgreich. Als ihr Mann 1934 starb, ging sie in die Schweiz, studierte Psychologie, veröffentlichte noch eine Wassermann-Biografie, emigrierte 1938 nach Kanada, wo sie bis zu ihrem Tod in Ottawa eine psychologische Praxis betrieb. Das Schreiben hatte sie aufgegeben.

"Ein österreichischer Don Juan" ist fast ein Schnitzler’scher Reigen, in dem es aber weniger um die sexuelle Erfüllung oder die körperliche Lust geht. Vielmehr steht die Sehnsucht nach emotionalem Halt und einer Sicherheit im Vordergrund, die zu erlangen aber nicht mehr möglich ist. Der Roman erzählt das Ende der Monarchie mit, das Verschwinden einer Ordnung, die Sicherheit und Identifikation für Raidt und seinesgleichen war.

Doch nicht nur das Nervensystem des alten Österreichs zersetzt sich nach und nach. Auch das Bild der Männlichkeit pervertiert sich zusehends. Raidt ist zwar anfangs der noble Frauenheld, doch Marta Karlweis entreißt ihn dem historischen Rahmen und schickt ihn auf eine andere, viel unheimlichere Fährte. Sie dekonstruiert den gesellschaftlich hochstehenden Mann und lässt ihn tief fallen.

Der 1929 erstmals erschienene Roman lohnt auch heute noch die Lektüre. Er ist einer jener Versuche, den Niedergang der Monarchie zu deuten, aber auch die Unvernunft des Menschen zu beschwören. Und mindestens darin ist das Werk aktueller denn je.