Maribor-Roman von Ales Steger
Der vielfach ausgezeichnete Lyriker Ales Steger war gestern in Wien zu Gast bei der Reihe "Apropos Slowenien". Er gilt als wichtigster Vertreter der jungen Generation und präsentierte seinen ersten Roman, "Archiv der toten Seelen" - einen witzig-grotesken Thriller. Die Handlung spielt in Maribor.
8. April 2017, 21:58
Die Veranstaltungsreihe "Apropos Slowenien" gibt derzeit in der Alten Schmiede einen Einblick in die aktuelle Literaturszene des Nachbarlandes.
Morgenjournal, 28.4.2016
"Elegant, zynisch und unbarmherzig"
Ein Roman über die Kulturhauptstadt Maribor 2012 - das klingt nicht gerade nach einem witzig-grotesken Thriller. "Archiv der toten Seelen" ist aber ein solcher. Ales Steger unternimmt da eine rasante Höllenfahrt durch eine verkommene Gesellschaft, in einem Plot zwischen Krimi und Fantasy, zwischen Farce und Tragödie, Trash-Elemente inklusive.
"Ich hatte diesen wunderbaren Vers von Gottfried Benn, 'Du musst dir alles geben', vor Augen, als ich das Buch geschrieben hab. Die Strategie war, abgelutschte Bilder wieder zum Leben zu erwecken", erklärt der Autor.
Der Verschwörung auf der Spur
Im "Archiv der toten Seelen" sind ein Theatermann und eine Journalistin angeblich im Auftrag des ORF in der Kulturhauptstadt Maribor unterwegs. Tatsächlich sind die beiden aber einer bösen Verschwörung auf der Spur, dem "Großen Ork", der im Geheimen die Stadt regiert, und sie mischen die Ordnung kräftig auf.
Elegant, zynisch und unbarmherzig wird eine verlogene und eitle Welt von Bürokraten, Spekulanten und Betrügern entlarvt. Dabei gibt es nebenbei den einen oder anderen Toten, seltsame Dinge passieren bis zu einem schrägen Showdown. - Auf dem Weg dahin werden die Politik und ihre Mechanismen ebenso verhandelt wie die Schrecken der Geschichte.
Stegers Revolte gegen Dummheit
"Wie revoltiert man gegen die eigene Dummheit, sich freiwillig zur Kolonie gemacht zu haben?" fragte Ales Steger unlängst in der "Süddeutschen Zeitung". "Die Kolonien, das sind viele kleine Staaten, die zu wenig an ökonomischer und kultureller Potenz aufbringen, um eigenständig zu diesem Europa beizutragen", so Steger.
Die Staaten an der Peripherie Europas ließen sich zum schlechten Schüler erziehen, der seit 25 Jahren die erste Klasse wiederholt, meint Ales Steger. Und: Wo die Dummheit groß genug sei, höre man nationalistische Parolen. Neue Mauern werden hochgezogen, alte Kriegsverbrecherbanden wie die Tschetniks und die Ustasa in Serbien und Kroatien rehabilitiert, es herrsche politisches Chaos wie in Rumänien, Krieg in der Ukraine, Massenabwanderung wie in Slowenien. Und überall Angst vor Einwanderern.
"Dass ich von Maribor nach Graz nicht ohne Pass laufen kann, damit fiel für mich schon Europa. Das Geld kreist noch immer, aber die Menschen, die Ideen, auch die Kulturen - es gibt einen deutlichen Ruck nach rechts. Aber dieser ist nicht mit einem positiven konservativen Erbe verbunden, sondern eher mit Dummheit." Die EU, meint Ales Steger, wurde vor ein paar Monaten abgeschafft.
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Süddeutsche - Es brennt in den Kolonien
Ales Steger, "Archiv der toten Seelen", Roman, aus dem Slowenischen von Matthias Göritz, Schöffling & Co